Aktuelles vom Para Dressursport
Interviews zur Vorstellung des neuen PTZ
Leiterin des Paralympischen Trainingszentrums Simone Krychowski, Co-Bundestrainer Para Dressur Rolf Grebe und Para Reiterin Gianna Regenbrecht im Interview anlässlich der Vorstellung des neuen PTZ
Herr Grebe und Frau Krychowski, welche Ziele verfolgt das PTZ?
Simone Krychowski (SK): Wir wollen bundesweit sichtbar werden, insbesondere für die Menschen, die noch keine oder kaum Berührungspunkte mit dem Para Pferdesport hatten. Wir laden sie ein, diese Sportart für sich zu entdecken. Den Sportler*innen, die schon dabei sind, bieten wir die Möglichkeit, sich noch gezielter weiterzuentwickeln und so Schritt für Schritt auch in den Leistungssport zu finden. Damit sind unsere Zielgruppen klar definiert: Es geht um die Nachwuchssichtung und Nachwuchsförderung in der Para Dressur in Deutschland.
Wie erreichen Sie die Menschen und was bieten Sie?
Rolf Grebe (RG): Wir werden über Schnuppertage und Trainingslehrgänge auch mit Turniercharakter allen neu Interessierten einen Einstieg ermöglichen, der sie dort abholt, wo sie sportlich aber auch körperlich stehen. Unsere grundsätzliche Aufgabe ist, Sporteinsteiger*innen und schon Aktive ganz individuell zu begleiten, das übrigens auch mit Hilfe von Videotechnik. Wir haben bereits eine Plattform eingerichtet, die auf unserer Homepage veröffentlicht wird. Hiermit erreichen wir die Reiter*innen, die nicht zugegen sein können. Wir möchten ihnen eine Alternative bieten, uns ihre Reitvideos zu geschickt, die wir bewerten, um ihnen eine Rückmeldung zu geben. Das Videoarchiv bietet uns die Möglichkeit, die Trainingsentwicklung besser zu beobachten und darauf aufbauen zu können. Damit Mensch und Pferd eine richtige Einheit werden, wird es im PTZ sehr vielfältige Trainingsangebote geben. So wird zu den sportlichen Inhalten auch mentales Coaching dazugehören.
Wie kann vom PTZ in Frechen aus der Nachwuchs in Deutschland gefunden und gefördert werden?
RG: Das funktioniert vor allem durch die enge Zusammenarbeit mit den Heimtrainer*innen, die vor Ort den ständigen Kontakt zu den Sportler*innen haben und pflegen. Sie sind die Brücke zum Trainingszentrum. Deshalb wenden wir uns auch genau an diese Zielgruppe und bieten allen am Para Dressursport interessierten Trainer*innen regelmäßige Einführungs- und Fortbildungslehrgänge an. Gerade diejenigen sind willkommen, die offen sind für die Para Dressur, ggf. aber noch keine eigenen Erfahrungen mit Sportler*innen mit Beeinträchtigungen gemacht haben. Neugier genügt! Ich erlebe in der Praxis immer wieder, wie schnell Bedenken und Vorbehalte verschwinden.
Welche Perspektiven bietet das PTZ für den Nachwuchs mit Blick auf den Leistungssport?
RG: Als Co-Bundestrainer ist es meine vorrangige Aufgabe, den bundesdeutschen Nachwuchs zu rekrutieren und talentierte Sportler*innen weiterzuentwickeln. Ziel ist es, diese Talente bis in den höchsten Leistungskader bzw. in den Perspektivkader zu führen. Dort haben sie die Chance, sich für große nationale und internationale Championate vorzubereiten und zu empfehlen. Hier ist dann die Schnittstelle zum Bundeskader unter Bundestrainer Bernhard Fliegl.
Wie ist es um den Nachwuchs in Deutschland insgesamt bestellt?
RG: Mittlerweile haben wir so viele Nachwuchsreiter*innen, dass ich diese als Co-Bundestrainer nicht alleine betreuen kann. Genau deshalb kümmert sich das Trainingszentrum aufgrund des aktuell vorherrschenden Mangels an Heimtrainer*innen um den Trainer*innennachwuchs. Hier bin ich sehr zuversichtlich, engagierte Kolleg*innen zu finden.
SK: Wir haben derzeit den Lehrgang für den Trainerschein für Menschen mit Behinderung auf unserer Anlage. Zehn Trainer*innen aus ganz Deutschland nehmen an dieser Fortbildung teil. Das DKThR hat für den Einstieg in die Para Dressur eine spezielle Zusatzqualifikation für die Inklusion im Reitsport für Trainer*innen sowie Berufsreiter*innen entwickelt, die vor allem auf deren enormen Fachwissen und Erfahrungsschatz aufsattelt (Ausbilder im Reitsport für Menschen mit Behinderung [DKThR] - Qualifikation für den inklusiven Reitsport). So bauen wir einen Pool an Trainer*innen auf, damit die Nachwuchsarbeit in der Para Dressur überall in Deutschland möglichst wohnortnah angeboten werden kann. Das PTZ wird auch im Rahmen der Trainer*innen weitere Maßnahmen ergreifen. Hier knüpfen wir an Fortbildungen an und versuchen das Training gemeinsam noch spezifischer und effektiver aufzubauen. Wir möchten auch ihnen die Möglichkeit bieten, mit unserer Unterstützung sich weiterzuentwickeln.
RG: Als weiteres Bindeglied beim Aufbau einer verbesserten Struktur für den Nachwuchs ist die Position eines Landestrainers, die in NRW derzeit von mir besetzt ist.
Wird es weitere Verstärkung im Team des PTZ geben?
RG: Das Tandem, bestehend aus Simone Krychowski und mir, wird mittelfristig ergänzt durch Fachkolleg*innen in anderen Disziplinen. Zum Beispiel wird die sportpsychologische Betreuung beim Training eine Rolle spielen. Dr. Gaby Bussmann steht uns hier dankenswerterweise zur Verfügung, die auch unseren Bundeskader psychologisch betreut, hier sowohl die Para Reiter*innen als auch die Regelsportler*innen. Überdies werden wir auch mit medizinischen Einrichtungen zusammenarbeiten, wie beispielsweise das Athleticum in Hamburg und das Ambulanticum in Herdecke. Hier geht es darum, mit deren fachlicher Unterstützung noch gezielter eine auf die Athlet*innen gerichtete individuelle Betreuung und Begleitung zu ermöglichen, insbesondere mit Blick auf die sehr unterschiedlichen Behinderungen der einzelnen Sportler*innen.
Frau Regenbrecht, mit Ihnen sitzt nicht nur eine vielversprechende Nachwuchsreiterin in der Para Dressur mit Elan und Ehrgeiz fest im Sattel. Sie repräsentieren Ihre Sportart genauso gerne. Was bedeutet Ihnen der Para Dressursport?
Gianna Regenbrecht (GR): Ich freue mich immer, wenn ich den Para Pferdesport, speziell die Para Dressur, in der Öffentlichkeit vorstellen kann. So kann ich dieser Sportart eine Stimme geben und dafür werben. Para Dressur ist gar nicht so weit weg vom Regel-Dressursport, aber ein paar Besonderheiten gibt es schon. Zum Beispiel, wie es sich anfühlt, ein Pferd zu reiten, ohne dass die Beine funktionieren. Die Erfahrungen, die ich als Reiterin mit meinen Einschränkungen gemacht habe, möchte ich sehr gerne an Menschen mit Beeinträchtigungen weitergeben und ihnen Mut machen. Und für mich persönlich bedeutet der Para Dressursport sehr viel. Ich liebe meinen Partner Pferd, den Sport und könnte mir nichts Schöneres vorstellen.
Begonnen mit dem Pferdesport haben Sie in der Para Dressur aber nicht…
GR: Richtig, ich habe klassisch in einer Reitschule das Reiten gelernt und hatte dann ein Pflegepferd. In dieser Zeit habe ich meine Trainerin Claudia Mense kennengelernt, mit der ich jetzt seit 10 Jahren zusammenarbeite. Vor sieben Jahren passierte mein Unfall und ich musste von heute auf morgen bei null anfangen. Vom Reitsport, geschweige denn vom Leistungssport, war ich plötzlich ganz weit weg. Aber Claudia Mense ist in dieser ganzen Zeit an meiner Seite geblieben. Nach einem langen Krankenhausaufenthalt habe ich über die Hippotherapie, eine pferdgestützte Physiotherapie, langsam wieder angefangen, mit dem Pferd zu arbeiten und mich früh entschieden, wieder in den Sattel zu steigen und Reitsport zu machen. Mit der Unterstützung meiner Trainerin habe ich auf einem Norwegerpony das Reiten wieder neu gelernt. Durch die erfahrene Querschnittslähmung musste ich meinen Körper erst wieder neue kennenlernen. Dafür waren das extrem brave Pony und der sehr gute Blick meiner Trainerin für meine Körperbewegung eine gute Voraussetzung, meine Balance auf dem Pferd wiederzufinden. Statt meiner Beine kommen jetzt die Gerten zum Einsatz, die meine Schenkel ersetzen und das Pferd nicht stören.
Das klingt unglaublich angesichts der Tatsache, dass Sie heute Teil des Perspektivkaders sind und klare Ambitionen anmelden, die großen Championate und Turniere reiten zu wollen.
GR: Absolut! Mein Ehrgeiz ist groß. Da muss ich mich selber manchmal zügeln, denn Pferdesport ist ein Partnersport, nämlich von Reiter*in und Pferd als Einheit. Da kommt es nicht nur darauf an, was ich möchte, sondern ich muss meinem Pferd gut zuhören. Dies besonders deshalb, da ich körperlich nicht in der Lage bin, alles alleine umzusetzen. Ich brauche das Pferd als gleichwertigen Partner, der um meine Stärken aber auch Schwächen weiß und mir Hilfestellung bietet. Nur so können wir beide uns auch weiterentwickeln.
Was sagt die Trainerin Claudia Mense?
Claudia Mense: Tatsächlich hatte ich in der Para Dressur anfangs keine Erfahrungen. Diese habe ich aber als Reitlehrerin im Therapeutischen Reiten mit einer Förderschule machen können. Hier habe ich einen guten Blick für Kinder und Jugendliche mit spastischen Beeinträchtigungen entwickelt. Ich bekam ein Gefühl dafür, was bei den jungen Menschen funktioniert und was man ihnen psychisch und physisch zumuten kann. Außerdem haben mich Körperbewegungen auf dem Pferd schon immer interessiert. Deshalb habe ich eine Ausbildung als Lehrerin für die Alexander-Technik gemacht. Mit dieser Technik können Gewohnheiten bei körperlichen Fehlhaltungen, bedingt durch Verspannungen oder Funktionseinschränkungen, erkannt und korrigiert werden. So habe ich auch bei Gianna immer schnell gesehen, was ihr Körper selber schafft und wo ich als Trainerin ansetzen muss.
Wo setzen Sie beide heute bei den sportlichen Zielen an?
GR: Das Ziel ist, dass ich in Zukunft bei den großen nationalen und internationalen Championaten mitreiten kann. Und natürlich nehmen wir die Paralympics 2024 in Paris schon ins Visier. Darauf möchte ich mich so früh wie möglich gezielt vorbereiten. Dabei begleitet mich meine 11jährige Westfalenstute „Selma Stromberg“. Ich reite sie seit fünf Jahren und bilde sie mit Claudia und einer weiteren Trainerin zusammen aus. Selma hat einen sehr starken Charakter und ein großes Herz und unterstützt mich großartig. Wir kennen uns in- und auswendig und haben ein sehr großes Vertrauensverhältnis zueinander. Wir sind eine wunderbare Einheit.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Co-Bundestrainer Rolf Grebe?
GR: Das, was wir bei unserem Training zu Hause erarbeiten, bekommt Rolf Grebe per Video zugeschickt, sodass er den aktuellen Leistungsstand kennt und jederzeit mit Tipps unterstützen kann. So haben wir schon vor Beginn der Kaderlehrgänge einen Austausch darüber geführt, an was wir weiter gemeinsam arbeiten müssen.
Quelle: DBS, GKS & DKThR