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Para Ski nordisch: Mit unbändigem Einsatz
Lennart Volkert vom PSV München drängt in Richtung Bundeskader. Beim anstehenden Para Weltcup im finnischen Vuokatti will der 19-jährige Abiturient aus Markt Schwaben zeigen, dass seine zuletzt guten Trainingsleistungen kein Zufall waren. Beim Sprint am Sonntag wird es für ihn ernst.
An sein erstes Rennen bei einem Para Weltcup hat Lennart Volkert gemischte Erinnerungen. Mitte Januar 2020 am Königsufer in Dresden war das, beim Langlauf-Sprint vor imposanter Kulisse. Am Start war er eben noch dem amtierenden Sprint-Weltmeister bei den Männern mit Sehbeeinträchtigung begegnet, Zebastian Modin aus Schweden, da stürzte sich der damals 16-Jährige mit zittrigen Knien und doch voller Motivation in seinen Prolog – und landete nach wenigen Sekunden im Schnee. Ein Missgeschick am Berg, sehr unnötig, sehr kostspielig. Die Chance auf eine gute Platzierung war früh dahin.
Von dem Vorfall existiert ein Video. War ihm das damals noch peinlich, kann er heute darüber lachen. „Es sieht schon ziemlich lustig aus. Und es war auf jeden Fall eine Erfahrung.“ Seit diesem Erlebnis hat sich einiges verändert. Lennart Volkert hat sich mithilfe der Trainingspläne der bayerischen Landestrainerin Corina Kaltenbacher und deren Vorgängerin Melanie Müller kontinuierlich gesteigert. Der Bundestrainer Ralf Rombach und der für den nationalen Nachwuchs zuständige Michael Huhn sind angetan von seiner Entwicklung, vor allem jener im technischen Bereich.
Eines hat sich ganz und gar nicht verändert: Lennart Volkerts Motivation. Die ist unverändert hoch. Man spüre ihm einen unbändigen Ehrgeiz an, berichtet Ralf Rombach voller Wertschätzung. „Lennart gibt richtig Gas“ – obwohl der Sommer alles andere als nach Volkerts Geschmack lief. Wegen langwieriger Erkältungen konnte er kaum trainieren. „Es war teilweise ein Biegen und Brechen“, sagt der gebürtige Berliner, der mit der Situation haderte, aber nicht aufsteckte. Den Platz im Flugzeug nach Finnland, wo an diesem Samstag der erste Weltcup des neuen Winters im Para Langlauf und Para Biathlon beginnt, hat er sich demnach vollauf verdient. „Ich habe hart dafür gearbeitet, dass ich jetzt zeigen kann, was ich draufhabe.“
Clara Klug als Anschubserin
Eigentlich gehörte Lennart Volkerts Herz dem Fußball. Mit zwölf Jahren kickte er noch leidenschaftlich im Verein, zuletzt sogar als Kapitän seiner Mannschaft. Dann ging es nicht mehr. Seine Sehbehinderung, eine Zapfendystrophie, wirkte sich immer stärker aus; er sah den Ball kaum noch. „Der Fußball war mein Leben. Aufhören zu müssen, war ein harter Schlag“, sagt er. Doch eine neue Liebe erwuchs, die zum Langlaufen – erst im Faschingsurlaub und an den Winterwochenenden mit seinem Vater, dann mit Ambitionen in Richtung Leistungssport.
Den Kontakt zum Nordic Paraski Team Deutschland stellte Clara Klug her. Die Münchnerin, die 2022 ihre Karriere beendete, nahm Lennart Volkert zusammen mit ihrem Trainer und Guide Martin Härtl zu einem Lehrgang mit. Bald darauf klopfte der Neue erstmals beim heutigen Bundesstützpunkt in Freiburg an. „Ich mag am Langlauf, dass ich mich auspowern kann“, sagt der 19-Jährige, der im oberbayerischen Markt Schwaben zu Hause ist. Die Skating-Technik liegt ihm derzeit noch mehr als der klassische Stil – und der Skating-Sprint, bei dem es gilt, auf einer etwa ein Kilometer langen Runde alles aus sich herauszuholen, mag er am meisten. Kein Wunder also, dass Lennart Volkert dem Sonntag entgegenfiebert. Dann steht in Vuokatti das Sprint-Rennen an, das darüber entscheiden dürfte, ob er im ersten ernsthaften Anlauf den Sprung in den Bundeskader schafft.
Umzug nach Freiburg nach dem Abitur geplant
Maßgeblich dafür wird seine eigene Zeit und der Abstand zum Zeitschnellsten sein. „Aber dazu mache ich mir keinen großen Kopf“, betont er. Die Vorfreude überwiegt: Auf die Reise nach Finnland, wo er noch nie gewesen ist. Auf die Atmosphäre des internationalen Wettstreits. Und auf die anderen Rennen, in denen er an der Seite seines 20-jährigen Guides Nils Kolb (SV Kirchzarten) Erfahrung sammeln soll – auch im Biathlon, obwohl er noch nicht lange mit dem Lasergewehr hantiert. Beim jüngsten Trainingslager in Livigno (Italien) ließ er sich von Nico Messinger Tipps geben, dem erfahrenen deutschen Athleten mit Sehbeeinträchtigung.
Das alles zeigt schon: der Weltcup von Vuokatti wird für Lennart Volkert eine Mischung aus Testlauf und Sprung ins kalte Wasser. Ein Abenteuer für sich und doch nur der Auftakt eines größeren Abenteuers. Im nächsten Sommer macht er am Adolf-Weber-Gymnasium in München Abitur, danach will er nach Freiburg ziehen, zum Bundesstützpunkt, um intensiv und konzentriert an der eigenen Entwicklung zu feilen. „Bei der Körperstabilität und Kraft ist Lennart bei weitem noch nicht da, wo er hinmuss. Aber das ist vollkommen normal. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis er in der Weltspitze mitmischen kann“, sagt Ralf Rombach.
Dass Lennart Volkert dazu imstande wäre, wenn er weiterhin so motiviert bleibt wie bisher, davon ist der Bundestrainer überzeugt. Bis dahin gilt: Erfahrung sammeln ist alles – auch wenn das hin und wieder mit einem Griff in den Schnee verbunden ist.
Text: Benjamin Schieler / DBS