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Auftaktsiege für Andrea Eskau
Andrea Eskau vom USC Magdeburg hat der deutschen Nationalmannschaft der Para Skilangläufer und Biathleten im ersten Weltcup der Saison gleich zwei Siege beschert. Die 46-jährige Sitzskiathletin aus dem rheinischen Elsdorf gewann im kanadischen Canmore sowohl den Langlauf-Sprint als auch die mittlere Distanz. Im Finale verwies sie Marta Zainullina aus Russland und die Norwegerin Birgit Skarstein auf die weiteren Plätze. Alexander Ehler feiert mit 48 Jahren sein Weltcup-Debüt.
„Das kommt etwas überraschend, ist aber ein toller Auftakt“, sagte die strahlende Gewinnerin und zauberte auch dem Bundestrainer Ralf Rombach ein Lächeln auf die Lippen. „Es war ein starker Wettkampf von Andrea. Sie hat sich von Rennen zu Rennen gesteigert und im Finale die beste Leistung gebracht.“
Viel besser hätte der Winter für Andrea Eskau (USC Magdeburg) nicht starten können. Nach ihrem Sprintsieg gewann die Elsdorferin auch den Langlauf über die mittlere Distanz. In ihrem Schlitten absolvierte die 46-Jährige die fünf Kilometer in 15:21:3 Minuten und war exakt fünf Sekunden schneller als Oksana Masters aus den USA. „Es war sehr, sehr knapp, aber ich bin dennoch sehr zufrieden mit meiner Performance“, sagte Eskau, die auf dem Weg zu den Paralympischen Spielen von Pyeongchang im März trotzdem noch Optimierungsbedarf sieht. „Wir erkennen einiges, an dem wir noch arbeiten müssen.“
Rombachs restliche Athleten verfehlten das Rennen um die Medaillen teilweise unglücklich. Anja Wicker (MTV Stuttgart) stieg geschwächt von Reisestrapazen in ihren neuen Schlitten und landete im Prolog auf Rang 14, Nico Messinger vom Ring der Körperbehinderten Freiburg verpasste in der Konkurrenz der Sehbehinderten mit seinem Guide Lutz Klausmann als Zwölfter den Halbfinal-Einzug nur um drei Sekunden. „Es hat sich ganz gut angefühlt, war aber wohl einfach zu langsam“, sagte er.
Vivian Hösch stürzt im Halbfinale
Bei den Frauen mit Sehbehinderung kamen Clara Klug (PSV München, mit Guide Martin Härtl) und Vivian Hösch (Ring der Körperbehinderten Freiburg, mit Guide Florian Schillinger) im Halbfinale auf die Plätze drei und vier. Hösch, nach dem Prolog noch Gesamtvierte, hatte dabei Pech bei einem Sturz. Der Weltcup-Debütant Alexander Ehler (SV Kirchzarten) holte in der stehenden Konkurrenz Platz neun, im Prolog war er Sechstschnellster gewesen. „Ihm fehlt noch etwas die Wettkampf-Erfahrung, aber das war trotzdem ein sehr zufriedenstellendes Debüt von ihm“, sagte Rombach über den 48-jährigen Emmendinger.
Ein später zweiter Frühling
Michael Huhn, der Trainer des deutschen Nachwuchses im Para Skilanglauf und Para Biathlon, war skeptisch, als ihm Alexander Ehler im Nordic-Center Notschrei im Schwarzwald entgegentrat. Ob er einmal mittrainieren könne, fragte Ehler. Ein Jahr ist das jetzt her. Da war Ehler 47 – kein Alter, in dem man von Menschen noch sportliche Höchstleistungen erwarten darf. Huhn aber musste seine Vorbehalte bald begraben. Sein Schützling bringt alles mit, um sich im Weltcup-Zirkus des Internationalen Paralympischen Komitees auf Anhieb vorne einzuordnen, auch wenn viele Kontrahenten seine Kinder sein könnten.
Es scheint, als liege ihm Biathlon im Blut. Ende der 80er Jahre, als er noch in seiner Heimat Kasachstan lebte, sagten ihm seine Trainer eine glänzende Zukunft voraus. Ehler, der aus Leninogorsk (heute Ridder) im Osten des Landes stammt, zählte zum Nationalkader und war auf dem besten Weg zu den Olympischen Spielen in Albertville 1992, als ein Motorradunfall seine Karriere jäh beendete. Er lag mit mehreren Knochenbrüchen im Krankenhaus, dann kam es einer Infektion. Die Ärzte mussten einen Teil seines linken Beines amputieren, es ist knapp neun Zentimeter kürzer als das rechte.
Behindertensport war zu dem Zeitpunkt in Kasachstan ein Fremdwort. „Das gab es schlichtweg nicht“, erinnert sich Ehler, der sich von seiner Leidenschaft verabschiedete – erst recht, nachdem seine beiden Töchter Olga und Alexandra zur Welt gekommen waren. Im Jahr 2000 zog die Familie nach Deutschland und ließ sich in Emmendingen nieder. Die Töchter haben die sportliche Begeisterung ihres Vaters geerbt. Beide widmeten sich dem Fechten und nahmen als Juniorinnen an Weltmeisterschaften teil, Alexandra wurde 2015 mit dem deutschen Nachwuchs Mannschafts-Europameisterin im Damendegen.
Auch der Papa griff zur Waffe, er hat Olga und Alexandra lange trainiert – und sich so offenbar selbst fit gehalten. „Ich kenne niemanden, der in seinem Alter noch so ein Niveau hat“, sagt Michael Huhn. Und das ist nicht das einzige Lob des Nachwuchs-Bundestrainers. Alexander Ehler ist technisch versiert, im Freistil wie im klassischen Stil, er ist ein guter und schneller Schütze, kurzum: „Er ist ein Allrounder.“
Das große Ziel ist die Qualifikation für die Paralympics im März 2018 in Pyeongchang (Südkorea). „Es war immer mein Traum, bei Olympischen Spielen dabei zu sein“, sagt der Mann vom SV KIrchzarten. Zwar sei ihm bewusst, dass ein Jahr Training als Vorbereitung eigentlich zu wenig sei, selbst unter dem „besten Trainer meines Lebens“, wie er Michael Huhn bezeichnet. Aber dennoch: die späte Erfüllung seines Traums, in Form der Paralympics, scheint zum Greifen nah.
"Ordentlicher Start in die Saison"
Alle Auftritte und Ergebnisse berücksichtigt, sprach der Bundestrainer von einem „ordentlichen Start in die Saison“ – vor allem angesichts einer „enorm gestiegenen Leistungsdichte“ durch die Rückkehr der russischen Athleten ins Renngeschehen.
Das Internationale Paralympische Komitee hat den im Zuge der Doping-Enthüllungen des McLaren-Reports seit August 2016 gesperrten Sportlern Russlands erlaubt, in diesem Winter unter neutraler Flagge im Weltcup zu starten. Ob sie auch bei den Paralympischen Spielen im März in Pyeongchang dabei sein dürfen, ist noch offen. Bei der Saison-Premiere gingen vier von sechs Siegen an russische Sportler, nur Andrea Eskau und der Franzose Benjamin Daviet bei den Sehbehinderten hielten erfolgreich dagegen.
Alle Termine und Resultate vom Weltcup gibt es auf www.paralympic.org/nordic-skiing/calendar-results
Quelle: Ben Schieler