„Wir wollen mit unserem Sport begeistern“
Für Kugelstoß-Paralympics-Sieger Sebastian Dietz sind die Heim-Europameisterschaften in Berlin ein ganz besonderes Highlight seiner Karriere. Auch deshalb hat er selber schon 120 Tickets für seinen Wettkampftag für Freunde und die Familie gekauft. Darüber, wie ihn seine Arbeit für die „Selbsthilfegruppe für Schlaganfallkinder" (SCHAKI) motiviert, was ihm die Heim-EM bedeutet und dass er den Weltrekord in seiner Startklasse knacken möchte, spricht er im Interview.
Warum hast du 120 Tickets für die Para Leichtathletik-EM selber gekauft? Und wem gibst du diese Karten?
Ich habe die Tickets gekauft, weil meine Frau und ich in diesem Jahr geheiratet haben und ich schon im Vorhinein gedacht habe, dass es für unsere Gäste schön wäre, die Leichtathletik-Europameisterschaften zu besuchen. Außerdem haben meine Partner, die ich als Sportler habe, Tickets von mir bekommen.
Vor allem aber habe ich sie gekauft, weil ich Schirmherr eines Vereins bin, der sich für Kinder einsetzt, die einen Schlaganfall hatten. Ich wollte ihnen die Möglichkeit geben ins Stadion zu kommen.
Warum engagierst du dich für eine Organisation, die mit Schlaganfallopfern arbeitet? Und warum gerade SCHAKI?
Ich engagiere mich für die „Selbsthilfegruppe für Schlaganfallkinder", SCHAKI e.V., da sie eine sehr familiäre Art haben mit den Kindern und Familien umzugehen. Sie kümmern sich gut und organisieren beispielsweise Workshops. Die nötige Hilfe kommt dabei direkt bei den Familien an. Die Organisatoren der Gruppe haben selber ein Kind mit Schlaganfall und haben SCHAKI e.V gegründet, weil sie bei den bestehenden Organisationen nicht das Angebot bekommen haben, dass sie sich gewünscht hätten.
Jedes Jahr finden zwei bis drei Workshops statt, bei denen man Informationen über Ärzte, Sport und Ähnliches bekommt. Es ist einfach schön, dass die Kinder zusammenkommen und Spaß haben können. Sie lernen, dass sie ganz normal sind und ein normales Leben führen können.
Was ist die wichtigste Lektion, die du den Kindern mit auf den Weg geben kannst?
Dass sie sich nicht schlecht fühlen müssen, weil sie anders sind. Dass sie ihr Leben leben sollen und dabei Spaß haben. Es ist nicht schlimm, wenn etwas länger dauert, das gehört dazu. Wenn man an sich glaubt und hart arbeitet, dann kann man auch erfolgreich sein.
Inwiefern beeinflusst die Arbeit mit den Kindern deinen Erfolg in der Para Leichtathletik?
Die Arbeit mit den Kindern motiviert mich immer Gas zu geben, um ihnen ein Vorbild zu sein. Es ist schön, die Kinder Lachen zu sehen und zu beobachten, wie sie sich mit mir über meine Erfolge freuen.
Erwartest du, einer der Athleten mit den lautesten Fans in Berlin zu sein?
Ich hoffe natürlich, dass noch viele Karten verkauft werden. Mich selber fragen auch noch viele Leute danach, also wird es nicht bei den 120 Karten, die ich ja bereits gekauft habe, bleiben. Ich hoffe, dass die Fans dann im Stadion für eine gute Stimmung beim Wettkampf sorgen.
Was bedeutet die Europameisterschaft in Berlin für die deutschen Para Sportler?
Auf der einen Seite ist es sicherlich für alle eine Chance, den Sport in Deutschland zu präsentieren. Auf der anderen Seite ist da aber auch die Sorge, dass die EM nicht so angenommen wird, wie wir es uns vorstellen oder erhoffen. Das wäre sehr schade, da wir inzwischen viele schöne Wettkämpfe auf der Welt erlebt haben. Vor allem die Paralympics und im letzten Jahr die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London waren super Events. Jetzt hoffen wir, dass auch die Europameisterschaften in Berlin eine tolle und stimmungsvolle Veranstaltung werden.
Für mich persönlich ist es schon etwas ganz Besonderes, sein Land bei einer großen internationalen Meisterschaft vertreten zu dürfen. Wenn diese Meisterschaft dann auch noch im eigenen Land stattfindet, ist die Motivation natürlich umso größer und alle Sportler hoffen, dass es so läuft, wie man es sich vorstellt.
Was sind deine Erwartungen? Willst du vor den heimischen Fans die Goldmedaille gewinnen?
Grundsätzlich möchte ich natürlich meine beste Leistung abrufen. Ich muss aber auf der Zielgeraden zur EM noch hart arbeiten, da wir noch nicht da sind, wo wir stehen wollen. Als amtierender Weltmeister und Paralympics-Sieger ist es auf jeden Fall mein Ziel, oben auf dem Treppchen zu stehen. Und natürlich im eigenen Land und vor den heimischen Fans den besten Wettkampf zu zeigen und die beste Show zu bieten, sodass wir alle am Ende feiern dürfen.
Vor einem Jahr hast du einen inoffiziellen Weltrekord gestoßen. Wird es bei der EM 2018 der offizielle Weltrekord werden?
Natürlich ist es immer das Ziel, die Weltbestleistung zu schlagen. Ich habe letztes Jahr den Rekord bereits geschafft und in diesem Jahr möchte ich ihn dann auch offiziell stoßen. Wenn mir dies im Stadion bei der Heim-EM gelingen sollte, wäre das natürlich ein Traum.
Du bist gut in Überraschungen. In Rio hast du deiner Freundin einen Heiratsantrag gemacht. Jetzt in Berlin hast du die Tickets gekauft und die Leute eingeladen, die Veranstaltung zu besuchen. Habt ihr angefangen, etwas für Tokio zu planen?
In Rio haben wir auch brasilianische Kinder ins Stadion eingeladen, sodass sie die Chance hatten, die Paralympics live zu sehen und zu erleben. Natürlich versucht man immer, die Menschen zu erreichen und zu motivieren. Das ist auch unsere Aufgabe, die wir mit dem Sport erfüllen wollen. Wir betreiben den Sport, um Menschen zu begeistern, um zu zeigen, wie toll und wie schön der paralympische Sport ist und was für eine schöne Familie wir sind. Außerdem wollen wir beweisen, was wir in der Lage sind zu leisten. Es wird bestimmt eine Idee für die Paralympics in Tokio geben, aber die wird natürlich noch nicht vorher verraten. Es ist auch noch zu früh an die Spiele 2020 zu denken. Jetzt ist es Zeit, sich voll auf die Europameisterschaft zu fokussieren.
Tickets für die Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin gibt es hier.
Weitere Informationen: Euro2018Berlin und FacebookParaLeichathletikEM