Para Leichtathletik: Mit Medaillenambitionen zur WM nach Paris
29 Athletinnen und Athleten sowie zwei Guides starten für Deutschland bei der Para Leichtathletik-WM in Paris vom 8. bis 17. Juli. Bundestrainerin Marion Peters zeigt sich optimistisch für die Paralympics-Generalprobe in der französischen Hauptstadt, wagt aber keine Medaillenprognose – dafür sei das letzte Großereignis zu weit entfernt.
Fast vier Jahre hat es gedauert, bis wieder eine Para Leichtathletik-WM stattfinden kann. Zuletzt in Dubai 2019 hatte das deutsche Team mit sieben Gold-, zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen groß abgeräumt. Irmgard Bensusan und Johannes Floors waren auf der Tartanbahn jeweils zu Doppel-Gold gesprintet, Markus Rehm und Léon Schäfer sprangen in der Sandgrube zum WM-Titel und Birgit Kober gewann im Kugelstoßen. Die für 2021 angedachte WM im japanischen Kobe wurde coronabedingt erst auf 2022 verschoben und findet nun 2024 vor den Paralympics in Paris statt, sodass die Dubai-Titel nun auch in Frankreichs Hauptstadt verteidigt werden.
Angeführt von den Paralympics-Siegern aus Tokio – Johannes Floors, Markus Rehm und Felix Streng – stellt das deutsche Aufgebot neben vielen aussichtsreichen Medaillenkandidat*innen auch gleich elf WM-Neulinge. Vor allem dem kleinwüchsigen Kugelstoßer Yannis Fischer, der als EM-Bronzemedaillengewinner 2021 auf Platz zwei der Weltrangliste in der Klasse F40 rangiert, darf einiges zugetraut werden. Sein Trainingskollege Niko Kappel steht dabei sinnbildlich für die starke Formentwicklung im deutschen Team. Nachdem der Paralympics-Sieger 2016 und Weltmeister 2017 in dieser Saison lange nicht in Fahrt kam, flog die Kugel jüngst bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften in Singen auf 14,84 Meter – sein drittweitester Stoß überhaupt, nur 15 Zentimeter unter seinem Weltrekord aus dem vergangenen Jahr. Klar, dass Kappel nun die Favoritenrolle annimmt – und nach neuen Erfolgen lechzt, nachdem sein letzter Triumph fast sechs Jahre her ist.
Sprinter, Weitspringer und Werfer im Fokus
Ein Abo auf die Favoritenrolle hat Weitspringer Markus Rehm, der in seiner langen Karriere bei Para Wettkämpfen bislang immer gewann. In dieser Saison verbesserte Rehm seinen Fabel-Weltrekord erst auf 8,64 Meter und dann auf 8,72 Meter – und möchte immer noch mehr. Felix Streng blieb über 100 Meter zwei Mal mit zu viel Rückenwind nur eine Hundertstelsekunde über dem 100-Meter-Weltrekord und auch Johannes Floors deutete über seine Paradestrecke 400 Meter in Rhede an, dass sein Weltrekord von 45,78 Sekunden in Paris wackeln könnte, wenn alles zusammenpasst.
Dazu ist Léon Schäfer als Weitsprung-Titelverteidiger bei den oberschenkelamputierten Athleten motiviert, die Zuschauer*innen mit einer Flugshow zu begeistern und auch im Sprint anzugreifen. Irmgard Bensusan, die 2019 Gold über 100 und 200 Meter gewonnen hatte, bewies in ihrer Laufbahn oft genug, dass sie es beherrscht, pünktlich zum Saisonhöhepunkt durchzustarten. Auch Speerwerferin Francés Herrmann als Tokio-Silbermedaillengewinnerin sowie die erfahrenen Kugelstoßer Sebastian Dietz und Mathias Schulze kamen zuletzt immer näher an ihrer Bestform heran.
Top 4-Platzierung sichert Slot für Paris 2024
Doch die Konkurrenz bei der WM ist groß: 1287 Meldungen aus über 100 Nationen gingen beim Organisationskomitee ein – beim Highlight ein Jahr vor den Paralympics in der gleichen Stadt wollen alle dabei sein. Dass die Spiele dann nicht wie die WM im von Grand-Prix-Veranstaltungen bekannten Stade Charléty stattfinden, sondern im großen Stade de France, spielt da eine untergeordnete Rolle. Auch so werfen die Paralympics bereits ihre Schatten voraus. Eine Platzierung unter den ersten Vier garantiert einen sogenannten Slot für die deutsche Nationalmannschaft, also einen Startplatz für 2024. Je mehr Slots, desto größer wird das Team bei den Paralympics sein. „Da müssen wir vorlegen“, sagt Bundestrainerin Marion Peters und hat dabei im Hinterkopf, dass bei der WM im Mai 2024 in Kobe nur noch die beiden Bestplatzierten einen Slot ergattern, der Rest wird über das Qualifikations-Ranking vergeben. Dass sich arrivierte Kräfte wie Martina Willing oder Daniel Scheil nicht für die WM qualifizierten und somit auch nicht beim Auftakt der Slot-Jagd helfen können, schmerzt zusätzlich.
Doch mit dem Mix aus Medaillenkandidat*innen und vielen neuen Gesichtern ist Bundestrainerin Peters mehr als zufrieden. In den Pre-Camps in Saint-Raphaël an der Côte d’Azur, Kienbaum und Stuttgart wird der letzte Feinschliff geholt, am Freitag startet die Anreise nach Paris, am Samstag folgt die Eröffnungsfeier, ehe am Montag die ersten Wettbewerbe mit deutscher Beteiligung steigen. Die angespannte Sicherheitslage in Paris gefährdet die WM bislang nicht, wie der Veranstalter auf Nachfrage des deutschen Teams mitteilte. „Wir sind alle bereit und freuen uns, dass es losgeht“, sagt Peters – wohlwissend, dass ihre Athlet*innen es kaum erwarten können.
Weitere Informationen rund um die Para Leichtathletik-WM gibt es auf der Webseite des Veranstalters.
Hier geht's zum Livestream mit allen Wettbewerben.
Für Rückfragen und Interviewwünsche steht als Ansprechpartner Nico Feißt per Mail unter nico.feisst@web.de zur Verfügung.
Der deutsche Kader für die Para Leichtathletik-WM:
Irmgard Bensusan (32 / Pretoria (Südafrika) / TSV Bayer 04 Leverkusen / T44), Noah Bodelier (19 / Erkelenz / TSV Bayer 04 Leverkusen / T/F64), Marcel Böttger (30 / Kassel / DJK Blau-Weiß Annen / T12), Friederike Brose (16 / Spremberg / BPRSV Cottbus / T38), Sebastian Dietz (38 / Worms / BPRSV Cottbus / F36), Franziska Dziallas (23 / Gummersbach / TSV Bayer 04 Leverkusen / T20), Yannis Fischer (21 / VfB Stuttgart / Singen (Hohentwiel) / F40), Johannes Floors (28 / Bissendorf / TSV Bayer 04 Leverkusen / T62), Isabelle Foerder (43 / Zwickau / HSC Erfurt / T35), Phil Grolla (22 / Wolfsburg / VfL Wolfsburg / T47), Francés Herrmann (33 / Cottbus / BPRSV Cottbus / F34), Niko Kappel (28 / Schwäbisch-Gmünd / VfB Stuttgart / F41), Ali Lacin (35 / Berlin / PSC Berlin / T61), Lisa Martin Wagner (30 / Bielefeld / Muwis Sportvielfalt Bad Oeynhausen / F44), Max Marzillier (21 / Rüdersdorf / SSV Blindenschule Königs Wusterhausen / T13), Merle Menje (18 / Mainz / St TV Singen / T54), Nele Moos (21 / Duisburg / TSV Bayer 04 Leverkusen / T38), Katrin Müller-Rottgardt (41 / Duisburg / TV Wattenscheid 01 / T12), Nicole Nicoleitzik (27 / Saarlouis / TV Püttlingen / T36), Lise Petersen (17 / Heide / TSV Bayer 04 Leverkusen / F47), Markus Rehm (34 / Göppingen / TSV Bayer 04 Leverkusen / T64), Jule Roß ( 16 / Bergisch Gladbach TSV Bayer 04 Leverkusen), Léon Schäfer (25 / Burgwedel / TSV Bayer 04 Leverkusen / T64), Mathias Schulze (39 / Magdeburg / BPRSV Cottbus / F46), Felix Streng (28 / La Paz (Bolivien) / Sprintteam Wetzlar / T64), Kim Marie Vaske (18 / Steinfurt/Borghorst / TSV Bayer 04 Leverkusen / T47/F46), Andreas Walser (27 / Augsburg / TSV Schwaben Augsburg/LG Augsburg / T12)
Text: Nico Feißt / DBS