Katrin Müller-Rottgardt: Blinde Weltmeisterin sucht den "Super-Guide"
Welt- und Europameisterin, dazu Paralympics-Bronze: Katrin Müller-Rottgardt hat fast alles gewonnen. Doch nun steht die sehbehinderte Sprinterin ohne Guide da - und das kurz vor der WM.
Unermüdlich schuftet Katrin Müller-Rottgardt für ihren großen Medaillentraum. Tagtäglich fährt die 40-Jährige in die Trainingshalle in Wattenscheid, arbeitet fleißig an ihrer Schnelligkeit. Doch sie fühlt sich einsam, sehr einsam sogar. Denn der sehbehinderten Sprinterin fehlt ein Guide - und das nur ein halbes Jahr vor der WM in Paris. Jede Einheit wird so zur Mammutaufgabe.
"Ich kann alleine laufen. Aber wenn ich alleine laufe, muss ich sehr viel Energie für Orientierung verwenden. Dadurch bin ich langsamer", haderte die 40-Jährige im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst. Die Situation sei "sehr belastend" - denn die Zeit drängt. Müller-Rottgardt müsste schließlich vor der am 8. Juli beginnenden Weltmeisterschaft mit ihrem neuen Begleitläufer erstmal die Norm abhaken.
"Das ist schon eng leider", sagte die Doppelweltmeisterin von 2003 zerknirscht: "Es klappt mit einem neuen Guide nicht von heute auf morgen. Man braucht einen gewissen Vorlauf, bis das harmonisch funktioniert." Doch die Suche gleicht einer Odyssee. Seit dem altersbedingten Ausscheiden ihres langjährigen Guides Sebastian Fricke fehlt die Optimallösung, Optionen sind rar. Der zuletzt getestete Begleitläufer war schlicht zu langsam - bremst Müller-Rottgardt eher, als dass er ihr hilft.
"Wenn man sich einen Guide backen könnte, hätte ich das schon lange gemacht", erzählte die gelernte Physiotherapeutin. Mit etwas Galgenhumor forderte Marion Peters eine Fernsehshow mit dem Titel "Deutschland sucht den Super-Guide". Auch im Nachwuchs- und Männerbereich suche der Deutsche Behindertensportverband (DBS) "händeringend" nach guten Begleitläufern, monierte die Leichtathletik-Bundestrainerin im Gespräch mit dem SID.
Dabei ist das Anforderungsprofil durchaus komplex. "Ein Guide muss in etwa eine um fünf Zehntel bessere Zeit laufen können", erklärte Peters. Im Fall Müller-Rottgardt entspricht das auf 100 Metern einer Zeit unter 11,5 Sekunden. Dazu müssen sowohl Körpergröße als auch Schrittlänge von Guide und Sportlerin halbwegs zusammen passen.
"Sprinter sind halt Einzelkämpfer", sagte Müller-Rottgardt: "Für viele ist es deshalb schwierig, sich in so eine Teamgeschichte reinzugeben und im Schatten der Athletin zu stehen." Es werde leider "schon kleinen Kindern vermittelt, dass 100-m-Läufer die Superstars sind", führte die Paralympics-Dritte von 2016 aus.
Ein Vorbild könnte Robert Förstemann sein, der nach seiner erfolgreichen olympischen Bahnradkarriere im Para-Sport als Begleitfahrer fungierte. "Der hat gesagt, dass er in seiner Karriere so viel Gutes empfangen hat und deshalb am Ende der Laufbahn etwas zurückgeben möchte", erklärte Peters.
Einen Topsportler mit ähnlicher Einstellung braucht auch Müller-Rottgardt - und zwar schnell. Damit ihr WM-Medaillentraum weiterleben kann.
Quelle: SID