Franziska Dziallas gewinnt Doppel-Silber bei Cross-WM
Was für ein Erfolg für Franziska Dziallas: Die 23-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen kürte sich in San Diego bei ihrem internationalen Debüt auf Anhieb zur Vize-Weltmeisterin über 2,2 und 6 Kilometer – obwohl bei der Virtus Cross Country-WM für Menschen mit geistiger Behinderung ursprünglich nur ein Start geplant war.
„Franzi konnte ihre Wettkampferfahrung gut ausspielen und man hat ihr die Routine angemerkt, sich jetzt auch in großen Startfeldern zu behaupten“, funkte Trainer Jonas Klein nach Deutschland, nachdem seine Athletin Franziska Dziallas über die 2,2 Kilometer in 7:51 Minuten im Mission Bay Park übers Gras gefegt war, sich nur der US-Amerikanerin Kaitlin Bounds geschlagen geben musste und sogar die zweimalige 400-Meter-Paralympics-Siegerin Breanna Clark aus den USA hinter sich gelassen hatte. „Es war ein sehr beherztes und recht gleichmäßiges Rennen“, lobte Klein seine Athletin, die im Ziel sagte, dass es Spaß gemacht habe – und fragt, wann sie denn das nächste Mal in Deutschland-Sachen laufen dürfe?
Die Gelegenheit kam schneller als erwartet. Nach dem packenden Zweikampf mit Lokalmatadorin Bounds fragte der Virtus Head Coach persönlich bei Dziallas nach, ob sie „nach der tollen Vorstellung und dem engen Battle“ nicht über die längere Distanz von sechs Kilometern die Chance zur Revanche nutzen wollte. So lief Dziallas „aus der kalten Hose“, wie Klein sagte, auch über die 6-Kilometer-Distanz auf den Silberrang. Eine fantastische Ausbeute für die junge Leverkusenerin, deren Potenzial sich in diesem Jahr mit starken Leistungen beim Olympia-Alm-Cross in München oder der Laufserie Bergisch Gladbach angedeutet hatte.
Trainer Klein, der zusammen mit Laura Hilgers Dziallas in den USA betreute, war auch von der Unterkunft im Chula Vista Elite Training Center begeistert: „Hier kann man sehen, was gelebte Inklusion ist und wie es möglich ist, dass paralympische und olympische Athlet*innen nicht nur am gleichen Stützpunkt, sondern in gemeinsamen Trainingsgruppen trainieren.“ Generell hatte das Event einen großen Stellenwert. Nach dem Rennen über sechs Kilometer beendet war, fanden die Cross-Meisterschaften von San Diego mit 300 Läufer*innen statt – die alle bei der Siegerehrung von Dziallas mit dem dreifachen Olympioniken Willie Banks Stimmung machten. „Es war ein absolut besonderes Erlebnis, das zeigt, wie sehr die Leistung von Para-Athlet*innen in Amerika gewürdigt wird und welche große Bühne man bieten kann“, sagte Klein.
Auch mit Kris Mack, dem Head Coach der US-amerikanischen Para Leichtathletik und Trainer von Paralympics-Sieger und Weltrekordhalter Nick Mayhugh, tauschte sich Klein viel aus – schließlich ist die Leichtathletik für Athlet*innen mit einer geistigen Behinderung in Deutschland noch relativ am Anfang. Für den TSV Bayer 04 Leverkusen war es in der langen Para Leichtathletik-Historie die erste internationale Medaille einer Athletin mit einer geistigen Behinderung.
„Das Training bedarf einer sehr diffizilen Belastungssteuerung“, gibt Klein einen Einblick in den Trainingsalltag: „Glücklicherweise konnten wir zur Vorbereitung in zwei Trainingslager fahren, bei denen eine Eins-zu-Eins-Betreuung gegeben war. Das hat auf jeden Fall maßgeblich zum Erfolg beigetragen und ist entscheidend im Coaching.“ Auch seine Athletin lobt Klein, der mit 24 Jahren selbst nur ein Jahr älter ist als Dziallas: „Ansonsten ist es natürlich angenehm, dass es ihr bei wiederkehrenden Belastungen nicht langweilig wird und ihr monotones Kilometerabspulen Spaß macht.“
2018 hatte die damalige Para Leichtathletik-Landestrainerin des Behinderten- und Rehabiliationssportverband NRW Dziallas entdeckt und nach Leverkusen vermittelt. Mit der Klasse T20 sind auch Athlet*innen mit einer geistigen Behinderung wie Dziallas bei den Paralympics zugelassen. Nachdem sie bei Sara Grädtke und der heutigen Co-Bundestrainerin Helena Pietsch trainiert hatte, schielt Landestrainer Klein daher auch auf größere Ziele: die Qualifikation für die Para Leichtathletik-WM 2023 in Paris über 1500 Meter und möglicherweise auch die Paralympics 2024 ebenfalls in der französischen Hauptstadt: „Franzi hat gezeigt, dass sie das Zeug hat, auf großer Bühne zu performen. Jetzt steht eine wohlverdiente Pause an, bevor im Januar die Vorbereitungen Richtung Paris starten. Ich denke, die Qualifikation für die WM ist möglich.“
Quelle: Nico Feißt