Drei Mal Gold zum EM-Abschluss
Johannes Floors, Mathias Mester und Felix Streng heißen die letzten deutschen Titelträger bei der Heim-Europameisterschaft im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Berlin. Insgesamt feierte die Deutsche Paralympische Mannschaft am Abschlusstag drei Gold-, zwei Silber- und eine Bronzemedaille.
Sie hatten es die ganze Woche zum Duell auserkoren: Der in diesem Jahr schnellste Europäer auf einer Prothese gegen den schnellsten Europäer auf zwei Prothesen: Felix Streng gegen Johannes Floors, Teamkameraden beim TSV Bayer 04 Leverkusen und beide bereits über 200 Meter und mit der 4x100-Meter-Staffel Europameister. Der starke Gegenwind von 2,2 Metern pro Sekunde lässt eine schnelle Zeit nicht zu, am Ende gewinnt Streng mit Meisterschaftsrekord von 11,23 Sekunden, Floors kommt nach 11,44 Sekunden ins Ziel und holt Silber. „Die Zeit ist zweitrangig, ich wollte hier Europameister werden und das ist mir gelungen“, sagte Streng: „Die 100 Meter sind etwas ganz Besonderes und das ist mein erster großer Titel auf dieser Strecke. Ich bin sehr glücklich.“
Floors hingegen blieb keine Zeit zum Jubeln. Nur 40 Minuten später stand seine Hauptstrecke, die 400 Meter, auf dem Plan. Angefeuert von Familie, Freunden und auch Felix Streng, der sich aus der Mixed Zone wieder in den Zielbereich geschlichen hatte, sprintete Johannes Floors in 47,93 Sekunden mit über sieben Sekunden Vorsprung ins Ziel: „Es war ein schönes Rennen, auch wenn die Zeit nicht aussagekräftig ist, weil ich auf der Strecke sehr viel Gegenwind hatte. Aber es ist schön, vor Freunden und der Familie zu laufen, ich habe das total genossen. Mein großes Ziel ist weiter eine Paralympics-Medaille in Gold auf dieser Strecke, alles andere wie die 100 Meter sind ein schönes Zubrot."
Quasi zeitgleich zum 100-Meter-Finale warf Mathias Mester den Speer mit Saisonbestleistung auf 37,57 Meter – ebenfalls Gold. Der Zimmergenosse von Niko Kappel musste die ganze Woche auf seinen Einsatz warten und war dann erleichtert, sich den Titel von 2014 wieder zurückgeholt zu haben: „Ich war so nervös, nervöser als 2008 in Peking vor 90.000 Zuschauern. Die Leute, die hier waren, haben mich fantastisch angefeuert, das war toll.“
Für die beiden weiteren deutschen Medaillen am Abschlusstag hatten Katrin Müller-Rottgardt mit Bronze über 400 Meter und Martina Willing im Kugelstoßen gesorgt. Während sich Müller-Rottgardt beim vierten Start die vierte Medaille schnappte, war es für Willing nicht nur die dritte Silbermedaille bei dieser EM, sondern insgesamt das 80. Edelmetall ihrer unglaublichen Karriere bei internationalen Wettkämpfen. „Eine Acht vor dem Komma ist immer gut, ich habe zwar um einen Zentimeter meine Bestleistung verpasst, aber mit dem Ergebnis und der Silbermedaille bin ich hochzufrieden. Ich habe hier erneut bewiesen, dass immer eine Medaille herausspringen kann“, freute sich die 58-Jährige vom BPRSV Cottbus, die ihre Karriere bis zu den Paralympics in Tokio 2020 fortsetzen möchte. In guter Form präsentierte sich auch Katrin Müller-Rottgardt. „Vier Medaillen hätte ich nicht erwartet, das ist wirklich wunderschön. Ich bin gut ins Rennen reingekommen, auf der Zielgeraden war dann nur noch kämpfen angesagt“, sagte die 36-jährige Wattenscheiderin.
Insgesamt kommt das deutsche Team im Medaillenspiegel auf 14 Gold-, 19 Silber- und 9 Bronzemedaillen und landete im Medaillenspiegel hinter Polen, Ukraine, Großbritannien und Frankreich auf Rang fünf. 42 Medaillen bei 39 Athletinnen und Athleten – eine starke Bilanz. „Wir haben sehr gute Ergebnisse erzielt und die Athleten, die schon international erfolgreich waren, haben bewiesen, dass sie pünktlich zum Saisonhöhepunkt starke Leistungen liefern. Doch auch die anderen Nationen haben gezeigt, dass dort einiges passiert“, resümierte Bundestrainer Willi Gernemann, der sich zudem auch über die Medaillen der jungen Debütanten Hanna Wichmann (Silber und Bronze), Phil Grolla (Bronze und Staffel-Gold), Charleen Kosche (Bronze) und Felix Krüsemann (Bronze) freute. „Wir brauchen aber noch mehr Nachwuchs und müssen die Strukturen systematisch aufbauen, so dass wir Talente und Medaillengewinner nicht per Zufall finden. Wir haben kein Qualitäts- sondern ein Quantitätsproblem“, sagte Gernemann. Es seien bei der Heim-EM gute Voraussetzungen vorhanden gewesen, um gute Leistungen zu bringen.
„Para Super-Sommer mit großartigen sportlichen Erfolgen“
Entsprechend zufrieden zeigte sich auch das Organisationskomitee. „Aus organisatorischer Sicht sind wir sehr glücklich. Wir haben vieles richtig gemacht und die Herausforderungen gemeistert“, sagte stellvertretend DBS-Generalsekretär Thomas Urban. Insgesamt seien an den sieben Wettkampftagen 30.000 Zuschauer im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark gewesen, die den 597 Athletinnen und Athleten aus 40 Nationen eine tolle Stimmung bereitet haben. Die meisten Besucher kamen am Samstag und Sonntag ins Stadion (jeweils 5000).
„Wir blicken auf einen Para Super-Sommer mit großartigen sportlichen Erfolgen und tollen Leistungen der Athletinnen und Athleten zurück. Zudem freuen wir uns über ein Medieninteresse, wie ich es selten bei internationalen Para Sport-Veranstaltungen in Deutschland erlebt habe. Damit haben wir die mediale Nische zwischen den Paralympics wegradiert. Das macht uns sehr froh“, betonte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher.
Auch Aleksander Dzembritzki, Staatssekretär Sport des Landes Berlin, freute sich: „Die Athletinnen und Athleten haben die Begeisterung ins Stadion getragen, das erfüllt uns mit großem Stolz. Wir wollen und werden eine Hochburg für Leichtathletik und den Para Sport bleiben“, sagte Dzembritzki und fügte mit Blick auf die Para Leichtathletik-EM augenzwinkernd hinzu: „Da jibt et nüscht zu meckern.“