Deutsche Meisterschaften: Bensusan und Fischer ragen heraus
Acht deutsche Rekorde und zwei vergoldete Leistungen: Die deutsche Para Leichtathletik hat sich bei den Internationalen Deutschen Hallen-Meisterschaften in Erfurt von ihrer besten Seite gezeigt. Vor allem im Kugelstoß-Wettbewerb boten sich die Athleten einen packenden Kampf um den deutschen Meistertitel. Der Deutsche Behindertensportverband präsentiert die Ergebnisse und besonderen Leistungen gemeinsam mit der Heinz-Kettler-Stiftung.
„Ich war total happy abends“, sprudelte es aus Bundestrainerin Marion Peters freudig heraus: „Man konnte sehen, dass die Para Leichtathletik lebt.“ Schließlich war die Internationale Deutsche Hallen-Meisterschaft in Erfurt als Winter-Standortbestimmung wichtig für ihre Athletinnen und Athleten, die in diesem Jahr die Para Leichtathletik-Weltmeisterschaft im Juli in Paris als Saisonhöhepunkt anvisieren. Auch internationale Athletinnen und Athleten aus Großbritannien, Japan und der Schweiz nutzten den Wettbewerb, um ihre Form zu überprüfen.
Besonders ein Duo hat in der Erfurter Leichtathletikhalle auf sich aufmerksam gemacht. Die mehrfache Paralympics-Silbermedaillengewinnerin und Doppel-Weltmeisterin Irmgard Bensusan sprintete die 200 Meter in 27,68 Sekunden und wurde wie auch über 60 Meter deutsche Meisterin. „Ich versuche, das Beste aus meiner heutigen Situation zu machen“, sagte die Athletin des TSV Bayer 04 Leverkusen, die momentan ihren Fokus auf ihre berufliche Karriere legt. Daher haderte sie auch etwas mit der Zeit, „aber ich versuche meine Leistung realistisch zu betrachten.“ Dennoch wurde die 32-Jährige für die beste weibliche Leistung des Tages mit dem erstmals vergebenen „Goldenen Kyffhäuser“ geehrt, eine Nachbildung des Kyffhäuserdenkmals, an dessen Fuße Kaiser Barbarossa thront – veredelt mit einem Mini-Goldbarren.
Fischer setzt sich gegen Dietz und Schulze durch
Spannend war der Kampf um diese Trophäe bei den Männern – schließlich ging es gleichzeitig um den Titel des deutschen Meisters der stehenden Kugelstoßer mit dem besseren Ende für den kleinwüchsigen Yannis Fischer, der 10,53 Meter stieß. In Nordhausen hatte er in der Woche zuvor mit 10,58 Metern bereits seinen deutschen Rekord verbessert, in Erfurt fehlten ihm ein paar Zentimeter, dennoch reichte es für den 22-Jährigen vom VfB Stuttgart zum Titel und der besten Leistung bei den Männern. Bei der Siegerehrung nahm der Vater von Fischers Teamkollege Niko Kappel den Preis entgegen – weil Fischer schon unterwegs zum nächsten Wettkampf war. In Rochlitz steigerte er sich dann einen Tag später auf stolze 10,73 Meter. Das bedeutete: deutscher Hallenrekord in seiner Startklasse F40. „Mein Ziel für dieses Wochenende war es, noch mal alles zu geben. Das ist mir gelungen. Somit kann ich jetzt auch mit Zuversicht in die Vorbereitung der Sommersaison starten.“
Hinter Fischer reihten sich zwei muskelbepackte Männer des BPRSV Cottbus ein. Sebastian Dietz mit 14,48 Metern und Mathias Schulze mit 14,49 Metern landeten auf den Rängen zwei und drei, weil die Medaillen nach einem Punktesystem in Relation zur Behinderung vergeben wurden. Dietz gelang mit seiner Weite sogar ein deutscher Hallen-Rekord in seiner Startklasse F36 – ein Indiz dafür, wie gut der Paralympics-Sieger von Rio 2016 mit der Kugel bereits in Form ist. „Das war wirklich stark“, freute sich Bundestrainerin Peters über den Kugelstoß-Wettkampf: „Yannis hat sich durchgesetzt, aber auch Sebastian Dietz ist richtig, richtig stark. Mit einer kleinen Technikumstellung hat er massiv Stabilität aufgebaut in Zusammenarbeit mit seinem neuen Athletiktrainer, das hat mir wie bei Mathias Schulze sehr gut gefallen.“
Peters: „Ein guter Einstieg ins WM-Jahr“
Insgesamt gab es in den jeweiligen Startklassen acht deutsche Rekorde bei der Hallen-Meisterschaft in Erfurt. Neben Dietz auch für Kugelstoßer Andreas Gröbner, Lokalmatadorin Isabelle Foerder über 60 und 200 Meter, Johannes Hohl über 200 Meter, Paul Raub über 400 Meter sowie die junge Kim Vaske über 60 und 200 Meter. „Sie hat wirklich auf sich aufmerksam gemacht als U20-Athletin“, lobte Peters die Leverkusenerin zog eine positive Bilanz der Hallen-Meisterschaften. „Es hat etwas Prominenz gefehlt, aber die, die da waren, haben teils tolle Leistungen gezeigt und waren zufrieden. Es war ein guter Einstieg in dieses WM-Jahr. Am 18. Februar findet nun noch ein Wettkampf in Leverkusen statt, dann ist die Hallensaison als Testlauf beendet und für uns geht’s entweder nach Dubai zum ersten Grand Prix oder in die Türkei und nach Südafrika für Trainingslager.“
Einen weiteren deutschen Rekord neben den acht genannten in Erfurt und Yannis Fischer in Rochlitz gab es zudem durch Phil Grolla in Neubrandenburg. Dort sprintete er die 60 Meter bei den norddeutschen Meisterschaften gegen Athleten ohne Behinderung in 6,94 Sekunden und verbesserte seinen persönlichen Rekord – zu insgesamt zehn neuen deutschen Bestmarken am Wochenende.
Die Ergebnisse der deutschen Meisterschaften in den Para Sportarten werden in diesem Jahr von der Heinz-Kettler-Stiftung (HKS) präsentiert, um die Aufmerksamkeit für die deutschen Meisterschaften zu erhöhen und die außergewöhnlichen Leistungen der Athlet*innen sichtbarer zu machen. Die HKS wurde von Heinz Kettler und seiner Tochter Dr. Karin Kettler bereits im Dezember 1999 gegründet, um Sportler*innen mit Behinderung in ihrer Sportausübung zu unterstützen und den Inklusionsgedanken in die Praxis umzusetzen.