20,69 Sekunden: 200-Meter-Weltrekord für Johannes Floors
Herausragende Leistungen der Para Leichtathletik-Nationalmannschaft bot die Internationale Deutsche Meisterschaft in Regensburg. Highlight war das 200-Meter-Finale der Männer mit einem Weltrekord von Paralympicssieger Johannes Floors sowie zwei deutschen Rekorden.
Die Vorleistungen deuteten daraufhin, dass Floors schnell sein würde, doch dass es in solche Sphären gehen könnte, überraschte die vielen Zuschauerinnen und Zuschauer im Regensburger Sportpark am Weinweg doch – zumindest konnte man das an den staunenden Gesichtern und lauten Jubelrufen erkennen. Am Donnerstagabend war der Doppel-Weltmeister von 2019 und Paralympics-Sieger über 400 Meter beim „Race to Zero“ im Rahmen der Diamond League in Oslo 10,97 Sekunden über 100 Meter gesprintet. Ein nicht optimaler Start verhinderte eine bessere Zeit und eine vordere Platzierung im ersten Rennen der schnellsten paralympischen Sprinter. Am Samstag schnappte sich der Athlet des TSV Bayer 04 Leverkusen dann den deutschen Meistertitel. Nach 10,80 Sekunden im Vorlauf lief er 10,67 Sekunden im Finale – eine herausragende Zeit. Hinter ihm verbesserte sich Max Marzillier vom BPRSV aus Cottbus um 18 Hundertstelsekunden auf eine Bestzeit von 11,06 Sekunden, dahinter landete Mehrkämpfer Andreas Walser vom TSV Schwaben Augsburg, der die positive Neuerscheinung der IDM war.
Am Sonntag waren es Marzillier und Phil Grolla, die Floors zur Bestleistung anspornten. 21,04 Sekunden war der alte Rekord in Floors‘ Klasse T62 der beidseitig unterschenkelamputierten Athleten, in Regensburg stoppte die Zeit nach einem starken Rennen bei sagenhaften 20,69 Sekunden. „Es ist absolutes Sprinterwetter“, sagte Floors, der aktuell Vollzeit ein Praktikum bei Ottobock in Duderstadt macht und deshalb nur in geringeren Umfängen trainieren kann, bei sonnigen 30 Grad: „Es sind gute Bedingungen, die körperliche Verfassung passt und ich hatte ein gutes Vorprogramm – dann kann bei so einem Rennen mal alles passen. Ich muss auch den Kampfrichtern danke sagen, die haben uns losgeschickt, als nicht zu viel Gegenwind war, das war wirklich top.“ Mit Blick auf sein Saison-Highlight, dem Para Leichtathletik Heimspiel am 1. Juli zuhause in Leverkusen, gibt er sich entschlossen: „Da möchte ich noch mal zeigen, was ich draufhabe.“
Die 22,08 Sekunden für den zweitplatzierten Max Marzillier, der in Paris mit 49,02 Sekunden über 400 Meter auf sich aufmerksam gemacht hatte, sind in seiner Klasse T13 der Athleten mit einer Sehbehinderung deutscher Rekord und die zweitschnellste Zeit 2022. Nur der algerische Paralympicssieger Athmani Skander Djamil lief in diesem Jahr noch schneller. Für Phil Grolla, der am Vortag über 100 Meter 11,01 Sekunden im Vorlauf gesprintet war, bedeuteten 22,22 Sekunden ebenfalls eine deutsche Rekordzeit in der Klasse T47.
Auch bei den Frauen wurde es schnell, vor allem dank eines Duells zweier Zimmernachbarinnen in der Nationalmannschaft, „die kurz mal keine Freundinnen mehr waren“, wie Janne Engeleiter mit einem Grinsen verriet. Über 100 Meter hatte sich die sehbehinderte Sprintspezialistin des BPRSV in 12,85 Sekunden durchgesetzt, Irmgard Bensusan vom TSV Bayer 04 Leverkusen war starke 13,01 Sekunden gesprintet. Am Sonntag drehte sich das Blatt, dann kam Bensusan nach 26,40 Sekunden nur 0,25 Sekunden über ihrem eigenen Weltrekord ins Ziel, Engeleiter blieb auf der für sie ungewohnten Distanz Silber in 26,96 Sekunden. Dritte wurde jeweils die Leverkusenerin Nele Moos – und als Beweis der guten Stimmung bei den Meisterschaften sprangen alle gemeinsam zur Erfrischung in die nahe gelegene Donau.
Richtig gute Ergebnisse hatte es schon am ersten Wettkampftag in Regensburg gegeben. Beim Weitsprung-Wettkampf von Markus Rehm waren die Sitzplätze im Schatten um die Anlage dicht besetzt, als der Weltrekordhalter starke 8,35 Meter im zweiten Versuch sprang – und nicht mehr viel Platz zur Betonbegrenzung am Ende der Sandgrube hatte. Am Samstag davor war Rehm in der Innsbrucker Innenstadt zum Weltrekord von 8,66 Meter geflogen, am Donnerstag im slowakischen Kosice bei einem ähnlichen Event 8,27 Meter. Drei überragende Weiten binnen einer Woche zeigen, dass der „Bladejumper“ in einer absoluten Weltklasse-Verfassung ist. Von Bundestrainerin Marion Peters gab es ein Sonderlob: „Es begeistert mich, wenn Athleten wie Johannes Floors oder Markus Rehm direkt nach solchen großen Meetings wie in Kosice oder Oslo hochmotiviert bei den Deutschen Meisterschaften starten, auch wenn diese vielleicht international nicht top-besetzt sind. Sie haben eine solche Strahlkraft für unseren Nachwuchs, da ist es einfach toll, wenn sie sich so präsentieren.“
Im Kugelstoß-Ring glänzten die beiden Rekordjäger vom VfB Stuttgart, wenngleich sie in Regensburg ohne neuen Eintrag in die Bestenlisten blieben. Niko Kappel stieß die Kugel auf 14,32 Meter, was vor dieser Saison, in der er bereits 14,99 Meter gestoßen hat, Weltrekord bei den kleinwüchsigen Kugelstoßern der Klasse F41 gewesen wäre. Sein Trainingskollege Yannis Fischer, dessen Kugel am Donnerstag in Riederich erstmals bei über elf Metern – genauer gesagt bei 11,04 Metern – landete, zeigte mit seinem überhaupt erst zweiten Stoß über diese magische Marke auf 11,01 Meter, dass in Stuttgart bei Trainer Peter Salzer beide Athleten auf höchstem Niveau unterwegs sind. „Es ist stark, welche Stabilisierung bei beiden stattgefunden hat – auch wenn man mit einem Augenzwinkern sagen muss, dass Yannis das teaminterne Duell mit Niko gewonnen hat, wer als Erstes über elf beziehungsweise 15 Meter stößt“, sagt die Bundestrainerin, die auch Speerwerfer Tom Sengua Malutedi mit der Siegesweite von 51,32 Metern ebenso wie Sprinter Franz Koalick mit 25,51 Sekunden über 200 Meter und 58,27 Sekunden über 400 Meter hervorhebt. „Beide haben sich auf einem guten Niveau eingefunden, auf das man aufbauen kann“, sagt Peters und erwähnt auch Nachwuchs-Rennrollstuhlfahrer Jannis Honnef positiv, der erstmals in dieser Saison auf sich aufmerksam machen konnte.
Nächster Stopp und Saison-Highlight ist für die Nationalmannschaft das Para Leichtathletik-Heimspiel mit internationaler Top-Besetzung in Leverkusen am 1. Juli, wer die Ausnahme-Athlet*innen live sehen möchte: Beginn ist ab 16 Uhr, der Eintritt ist frei. Es wird aber auch einen Livestream aus dem Manforter Stadion geben.