Effekte körperlicher Aktivität auf die Psyche
Welche Auswirkungen hat körperliche Aktivität auf die Psyche im Allgemeinen?
Viele Menschen fühlen sich nach körperlicher Aktivität wohl und ausgeglichen!
Prof. Dr. Oliver Stoll von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gibt dazu an, dass das Therapiemodul „Sport und Bewegungstherapie“ (einschließlich des Ausdauerlaufens) integrierter Bestandteil im Behandlungsangebot psychiatrischer Kliniken ist. Über die vielfältigen positiven Wirkungen von körperlicher Aktivität auf psychische Störungen wird oftmals berichtet, jedoch können die angewandten Methoden im Kontext der Behandlung psychiatrischer und psychischer Erkrankungen (noch) nicht als evidenzbasierte Therapien gelten – kontrollierte Studien finden sich im Wesentlichen nur für depressive Erkrankungen.
Verschiedene Autoren bewerten die Evidenzbasierung für Bewegungstherapie im Kontext psychischer Erkrankungen als (noch) schwach. Bewegungstherapie ist „vielleicht“ eine effektive Behandlungsmethode – abschließende Evidenz dafür steht aber noch aus. Der ausschlaggebende Grund dafür ist die teilweise mangelhafte Qualität der Studien. Diese ist gekennzeichnet durch methodische Fehlerquellen wie z. B. ein fehlendes follow-up oder eine zu geringe Probandenzahl. Lücken im Forschungsstand stellen zum einen die klinische Anwendung und zum anderen auch die Untersuchung der Langzeiteffekte der Bewegungstherapie dar. Im therapeutischen Alltag liegen für die Bewegungstherapie, einschließlich der Lauftherapie, keine indizierten Einsatzfelder und konsequente Anwendungsrichtlinien, wie z. B. in der Psycho- oder Pharmakotherapie, vor. Es besteht noch Aufklärungsbedarf, wie körperliche Aktivität – im besonderem die Lauftherapie – auf die Psyche wirkt. Diesem Bedarf nimmt sich das Buch „Laufen psychotherapeutisch nutzen“ an.
Welchen Effekt kann körperliche Aktivität auf Depressionen haben?
Zahlreiche Personen berichten von einer stimmungsaufhellenden Wirkung durch körperliche Aktivität.
In den vergangenen 15 Jahren gab es eine Fülle von Studien, welche sich mit den Wirkungen von Bewegung und/oder Sport auf depressive Verstimmtheit und/oder eine klinische Depression auseinandergesetzt haben. So berichtet Prof. Dr. Oliver Stoll, dass in einer Meta-Analyse des US-amerikanischen Center of Disease Control (CDC) der vereinigten Staaten von Amerika (USA), in der über 100 Studien zum Thema verarbeitet wurden, deutlich wird, dass Bewegung unabhängig vom Intensitätsgrad und der Form der Bewegung eine antidepressive Wirkung hat (CDC 2008). Weiterhin konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass diese Effekte unabhängig vom Geschlecht, Alter oder Medikation aufgrund anderer Erkrankungen sind.
Mead et al. (2010) weisen in ihrer Meta-Analyse ebenfalls auf die positiven Wirkungen von Bewegung auf Depression hin. Die berechneten Effektstärken von 0,82 sind als sehr gut zu bezeichnen (23 Studien). Wählt man allerdings die Studien mit den geringsten methodischen Mängeln (drei Studien) und berechnet darüber die Effektstärke so ergibt sich ein lediglich moderater Effekt (0,42), so Prof. Dr. Oliver Stoll.
Prof. Dr. Marc Ziegenbein, Ärztlicher Direktor des Klinikum Region Hannover (KRH), berichtet, dass die Ergebnisse des Projektes „Aktiv aus dem Stimmungstief“, welches von der Robert-Enke-Stiftung unterstützt und finanziert wurde, gezeigt haben, dass Sport einen positiven Effekt auf Depressionen entfalten kann. Als besonders geeignet hat sich eine moderate Ausdauer-Belastung gezeigt. In der Praxis heißt dies 2 bis 3 Mal in der Woche ein leichtes Lauf- oder Walking-Training von 30 – 45 Minuten. Dieses sollte idealerweise in der Gruppe durchgeführt werden um den Gruppeneffekt als zusätzlichen stützenden therapeutischen Effekt mit einbeziehen zu können. Vor und nach dem Training sollte ein warm up and cool down durchgeführt werden und genug Raum für Unterhaltung/Austausch geboten werden. Es hat sich gezeigt, dass gerade beim Walking die Möglichkeit besteht, dass die Teilnehmer/innen sich auch während der Walkzeit unterhalten können, was als sehr positiv zu bewerten ist. Kritisch zu betrachten ist die Auswahl geeigneter Trainer/innen, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass viele der Trainer/innen immer wieder in den Leistungsgedanken verfallen.
„Im Rahmen des Projektes „Aktiv aus dem Stimmungstief“, haben wir ein Trainingsmodul konzipiert was Sportvereine oder auch andere Institutionen relativ einfach nutzen können.“, so Prof. Dr. Ziegenbein. Dies geschah mit aktiver Unterstützung der Sportwissenschaftlichen Kollegen PD Dr. Olaf Hoos und Dr. Dominik Reim der Universität Würzburg. Wiederum zu bedenken gilt es, einen entsprechenden Pool von Trainern/innen zu schulen der diese Aufgaben und Verantwortung auch aus einer interimistischen (vorläufigen) Motivation heraus übernimmt, so Prof. Dr. Marc Ziegenbein weiter.
Prof. Dr. Oliver Stoll führt zudem fort, dass auch in der NICE-Guideline (2009), bei einer Häufigkeit von 3-maligem Training von 45 bis 60 Minuten über 10–14 Wochen, von hinreichenden Effekten auf milde und moderate Depression berichtet wird. Perraton et al. (2009) sprechen von guten Effekten bei 3-mal 30 Minuten mit 60–80% der maximalen Herzfrequenz über 8 Wochen. Weiterhin führen die Autoren aus, dass sowohl Einzel- als auch Gruppentraining ähnliche Wirkungen erzielen. Allerdings ist eine leichte Tendenz hinsichtlich eines Gruppeneffektes zu beobachten. Dirmaier et al. (2010) gehen in ihrer Meta-Analyse, in der speziell Leitlinien zum Thema Depression untersucht wurden, einen Schritt weiter und legen dar, dass die Wirkungen von Sport und Bewegung vergleichbar sind mit verhaltenstherapeutischer und medikamentöser Therapie.