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Kampf um Paralympics-Tickets und WM-Medaillen
Für die deutschen Judoka ist die Verschnaufpause zwischen den Sport-Highlights nur kurz. Vor wenigen Tagen waren sie noch bei den European Para Championships auf der Matte. Mit Lennart Sass (Silber), Ramona Brussig und Debütantin Tabea Müller (beide Bronze) brachten drei sehbehinderte Kampfsportler*innen eine EM-Medaille mit nach Hause. Vom 23. bis 25 August werden die Weltmeisterschaften im Rahmen der IBSA World Games ausgetragen. „Das ist unser Höhepunkt“, betont Bundestrainerin Carmen Bruckmann. Denn: „Die WM zählt für die Kadergruppierung und für die Paralympics.“
Mit den sehbehinderten Judoka aus Japan, Kasachstan, Usbekistan oder den südamerikanischen Ländern gewinnt der Wettkampf in England mächtig an Qualität hinzu. Vize-Weltmeister Lennart Sass (Kiel/SSG Blista Marburg) will dennoch wieder ganz oben angreifen. Über den Weltranglisten-Zweiten sagt Bruckmann: „Er ist total fokussiert und unbeschwert. Das große Ziel ist eine Medaille bei den Paralympics, aber eine der wichtigen Werte im Judo ist die Bescheidenheit. Daher sind wir vorsichtig.“ Die Chancen aufs Ticket für die Paralympics stehen sehr gut. „Wir wollen ihn in den kommenden Monaten in der Weltranglisten-Spitzengruppe halten“, sagt Bruckmann.
Andere Voraussetzungen und Zielsetzungen bestehen dagegen bei Nikolai Kornhaß. Jahrelang hatte der 30-Jährige die Judoszene seiner Wettkampfklasse dominiert, bis ihn eine Schulterverletzung zurückwarf. Seit sechs Wochen befindet er sich wieder im Übungskampf, eine Einheit, bei der nicht das Gewinnen oder Verlieren im Vordergrund steht, sondern die erlernten Techniken im Kampffluss. „Er weiß um seine Stärken und welche Techniken nach seiner Schulterverletzung funktionieren und welche nicht.“ Für Kornhaß kommt es darauf an, in den Wettkampfrhythmus zurückzukehren und Ranglistenpunkte zu sammeln, um die Qualifikation für die Paralympics zu schaffen. „Der Weltmeistertitel ist nicht das Ziel, auch wenn er in der Theorie durchaus alle schlagen kann. Ob er das so kurz nach der Verletzung auch kann, ist aber fraglich. Aber er ist auf alle Fälle hochmotiviert.“
Völlig unbeschwert ins Turnier gehen Vanessa Wagner (21) und Tabea Müller (25). „Beide sind noch sehr jung.“ Während Müller mit einer frisch errungenen EM-Bronzemedaille im Gepäck nach England reist, soll Wagner auf höchstem Wettkampfniveau kämpfen, um sie auf die Paralympics 2024, spätestens aber 2028 vorzubereiten. „Vielleicht kommt Paris noch ein wenig zu früh, dafür könnten wir bei den Paralympics 2028 in Los Angeles richtig auftrumpfen“, sagt Bruckmann. „In Marburg hat sie eine gute Basis geschaffen. Daran wollen wir anknüpfen, zumal sie viel Freude mit auf die Matte bringt.“
Ohnehin reist die deutsche Judoka-Nationalmannschaft befreit nach England. „Mit Co-Trainer Matthias Krieger und dem restlichen Trainerteam haben wir eine super Stimmung geschaffen. Es passt alles und macht richtig viel Spaß. Den Schwung aus Rotterdam wollen wir mitnehmen.“
Das deutsche Para Judo-Team:
Ramona Brussig (46 / Leipzig / PSV Schwerin), Daniel-Rafael Goral (23 / Hamburg / SSG Blista Marburg / SF BG-Marburg), Nikolai Kornhaß (30 / Augsburg / 1. Mannheimer JC), Tabea Müller (25 / Aachen / SSG Blista Marburg / SF BG-Marburg), Lennart Sass (23 / Kiel / Rendsburg TSV), Isabell Thal (24 / Bochum / Budoka Höntrop), Vanessa Wagner (21 / Görlitz / SSG Blista Marburg / SF BG-Marburg).
Bundestrainerin: Carmen Bruckmann
Deutsche Goalballer als Mitfavorit
Für die deutschen Goalballer sind die World Games in England eine von zwei Chancen, um noch eines der Tickets für die Paralympics 2024 zu ergattern. „Wir haben die Qualität, um uns zu qualifizieren“, betont Bundestrainer Stefan Weil. Um sicher in Paris dabei zu sein, müssen die deutschen Goalballer das Turnier gewinnen – andernfalls ist der Rechenschieber gefragt oder es muss der Europameistertitel in Montenegro im Dezember dieses Jahres her. Klar ist, dass das Weil-Team als einer der Favoriten nach England reist. „In unserer Sportart gibt es eine Handvoll Teams, die sich auf Augenhöhe befinden“, sagt er. „Wir wollen definitiv ins Finale. Das muss unser Ziel sein.“ Dafür müssen spätestens ab der K.o.-Runde große Brocken aus dem Weg geräumt werden. „In der anderen Gruppe spielen die USA, Türkei und der Iran. Da ist schwer vorherzusagen, wer auf den ersten drei Plätzen landet.“
Die deutschen Männer treffen in der Gruppenphase ab dem 20. August auf Südkorea, Finnland, Großbritannien, Ägypten sowie Litauen und Japan. „Unser Spielplan ist wie ein Berganstieg. Am Ende warten mit Litauen und Japan die wohl schwersten Gegner unserer Gruppe“, meint der Bundestrainer, der die Spielterminierung auch als Chance sieht. „Wir haben zwar die letzten beiden Partien an einem Tag, aber wir können dort Selbstvertrauen tanken. Es ist die perfekte Gelegenheit, um richtig ins Turnier hineinzukommen.“
In Coventry – die Goalball-Paarungen werden nicht in Birmingham ausgetragen – muss Weil auf Thomas Steiger (RGC Rostock). Der Leistungsträger ist nach seinem Leistenbruch noch nicht endgültig fit. „Es hat keinen Sinn, dass er sich von Turnier zu Turnier schleppt, zumal die Leistenverletzung schnell eine langwierige Sache werden kann.“ Steiger und Weil haben daher die Europameisterschaft ins Visier genommen. „Da ist er dann bei 100 Prozent“, verspricht der Bundestrainer. Wieder dabei ist Nationalmannschafts-Rückkehrer Felix Rogge, ihre Premiere auf internationalem Parkett feiern Daniel Arendar und Rouven Schetelich.
Das deutsche Goalball-Team der Herren:
Daniel Arendar (22/Heidelberg/BSS Ilvesheim), Felix Rogge (34/Chemnitz/Chemnitzer BC), Philipp Tauscher (22/Leipzig/SSV Königs Wusterhausen), Oliver Hörauf (26/Chemnitz/Chemnitzer BC), Rouven Schetelich (28/Chemnitz/Chemnitzer BC), Fabian Diehm (25/Lehrberg/RGC Rostock).
Bundestrainer: Stefan Weil (47, Marburg)
Co-Trainer: Reno Tiede (33, Rostock)
Goalballerinnen wollen als Außenseiter die Großen ärgern
Als Außenseiter reisen die deutschen Goalballerinnen zu den IBSA World Games nach England. Auf das Team von Cheftrainerin Jessica Bahr warten mit den USA, Brasilien, Kanada und Finnland gleich vier Nationen in der Vorrunde, die zu den zehn besten Teams der Weltrangliste gehören. „Wir wollen die Großen ärgern“, sagt Bahr. „Und natürlich Gruppenvierter werden“. Das würde den Viertelfinaleinzug bedeuten.
Mit Finnland, Ukraine und Dänemark seien drei weitere Gruppengegner auf Augenhöhe. Allerdings fehlen Lisa Triebel (Karriereende) und Ann-Kathrin Denker (berufliche Gründe) in England. „Zwei Leistungsträgerinnen“, merkt Bahr an, die mit ihren Spielerinnen in den vergangenen Monaten an der Wurfstärke, der Wurfgenauigkeit und an der Taktik gefeilt hat. „Die Entwicklung sieht man“, sagt die Cheftrainerin. „Aber wir befinden uns nach wie vor im Aufbau. Dieser Prozess geht nicht von heute auf morgen.“
Für die deutschen Goalballerinnen starten die World Games mit einem Doppel-Spieltag. Erst steht das Duell mit dem Titelfavoriten USA an, dann geht es gegen Dänemark. „Dass wir zu Beginn des Turniers zweimal spielen, kann ein Vorteil sein, denn Turniere werden über die Ausdauer entschieden“, meint Bahr. Und die USA direkt zum Anfang? „Gegen die Amerikanerinnen wollen wir dagegenhalten, das ist schließlich ein Spiel, das Laune machen und für den weiteren Turnierverlauf richtungsweisend sein kann."
Das deutsche Goalball-Team der Damen:
Emily Reinke (19/Berlin/SSV BS Königs Wusterhausen), Sophie Kaudewitz (21/Nürnberg/BVSV Nürnberg), Charlotte Kaercher (32/Rostock/RGC Hansa), Pia Knaute (27/RGC Hansa/Rostock), Rauan Mardnli (22/Heidelberg/BSS Ilvesheim/Heidelberg), Jennifer Koch (20/Gunzenhausen/BVSV Nürnberg).
Cheftrainerin: Jessica Bahr (Nußloch)
Co-Trainer: Tobias Vestweber (Marburg)
Weitere Informationen zu den IBSA World Games sowie Spielplan und Ergebnisse gibt es auf der Veranstaltungs-Webseite.