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Johannes Floors: Der Sprint-König von London
Para-Leichtathletik-WM: „Prothesen-König“ Johannes Floors sprintet zu seinem zweiten Gold und bringt die Medien zum Schwärmen – Silber für Juliane Mogge, Bronze für Lindy Ave und Frank Tinnemeier
Erfolgreicher Samstagabend für die Deutsche Paralympische Mannschaft bei der Para-Leichtathletik-Weltmeisterschaft in London: Johannes Floors sprintete zu seinem zweiten Gold, Juliane Mogge stieß die Kugel zu Silber und Lindy Ave sowie Frank Tinnemeier freuten sich über Bronze. Vor dem abschließenden Wettkampftag am Sonntag kommt das Team nun bereits auf stolze 19 Medaillen.
„Prothesen-König“, „Kronprinz von Oscar Pistorius“, „Deutscher Blade Runner“: Die Presse schwärmte schon vor der Weltmeisterschaft von Johannes Floors. Nach Silber über 100 Meter sowie Gold über 200 und 400 Meter steht jetzt fest, dass die Superlative gerechtfertigt waren. In neuem WM-Rekord von 21,50 Sekunden ließ der Athlet des TSV Bayer 04 Leverkusen über 200 Meter wie schon über die doppelte Distanz zwei US-Amerikaner hinter sich – dieses Mal Hunter Woodhall und Nick Rogers. „Das ist schon sehr geil. Zwei Mal Gold ist phänomenal. Das Wetter hat zwar nicht so mitgespielt, aber jeder hatte die gleichen Bedingungen, daher hat es gepasst. Ich bin raus gegangen, habe mein Ding gemacht und gewonnen. Das ist einfach super“, jubelte der 22-Jährige.
Zusammen mit Trainer Karl-Heinz Düe hatte er in diesem Jahr viel am Laufstil gearbeitet und bereits Europarekorde über 100 und 200 Meter aufgestellt. An einen solchen Erfolg bei dieser WM hatte er aber nicht gedacht: „Ich wusste, dass ich schnell bin. Wir haben viel trainiert und viel umgestellt, aber wir sind ohne Erwartung hierher gefahren und wollten gucken, was herauskommt.“
Vor allem für das Londoner Publikum – über 30.000 Zuschauer waren es am Samstagabend – hatte Floors nur Lob übrig: „Diese Menschenmengen sind einfach der Hammer, vor so vielen Menschen zu laufen ist so ein geiles Gefühl, da läuft man immer noch mal schneller.“ Motivationsprobleme wird er nach diesem großen Erfolg im Hinblick auf die Europameisterschaft 2018 in Berlin nicht bekommen: „Leichtathletik mache ich, weil es mir Spaß macht und nicht nur, um zu gewinnen. Ohne Spaß würde ich nicht weitermachen.“
Sein großes Ziel bleibt Tokio 2020, „denn Paralympics-Sieger will jeder werden.“ Die Heim-EM soll dabei eine Zwischenstation sein. In der Klasse T43 der beidseitig Unterschenkelamputierten gilt ab dem 1. Januar 2018 eine neue Formel für die Länge der Prothesen, die Rekorde werden zurückgesetzt. „Deshalb will ich in Berlin mal am Weltrekord kitzeln.“
Erste WM-Medaille für Mogge, deutscher Rekord für Ave, späte Versöhnung für Tinnemeier
Für Juliane Mogge ist die Silbermedaille im Kugelstoßen der Klasse F36 ihr bisher größten Erfolg und ihre erste WM-Medaille. In einem konstant guten Wettbewerb stieß die 27-Jährige vom TV Wattenscheid 9,44 Meter und wurde hinter der Chinesin Qing Wu Zweite, nachdem sie bei der WM in Doha 2015 und den Paralympics 2016 in Rio jeweils das Podium knapp verpasst hatte: „Ich war zwei Mal nacheinander Vierte und habe ein bisschen auf die Medaille gehofft. Jetzt habe ich Silber gewonnen, das ist natürlich Wahnsinn.“
Die zweite Medaille bei dieser Weltmeisterschaft schnappte sich Lindy Ave. Die 19-Jährige sprintete in deutschem Rekord von 13,16 Sekunden hinter den Britinnen Sophie Hahn und Kadeena Cox ins Ziel und zählt als Junioren-Weltmeisterin wie über 200 Meter zu den besten Drei der Welt. Die 19-Jährige von der HSG Uni Greifswald wehrte die dritte Britin Olivia Breen erfolgreich ab und war mehr als zufrieden: „Es war klar, dass zwischen Platz zwei und fünf alles möglich ist. Es hat bei dieser tollen Atmosphäre einfach sehr viel Spaß gemacht.“
Frank Tinnemeier war nach seinem Wettkampf im Kugelstoßen der Klasse F42 völlig am Ende. „Ich habe zwischenzeitlich schon gesagt, ich hasse London“, sagte der 44-Jährige vom TSV Hillentrup und konnte nun darüber schmunzeln. Nach vier missglückten Versuchen hatte er an die Paralympics 2012 gedacht, als er am gleichen Ort nur Zehnter geworden war. „Ich dachte, es wird gleich regnen, du musst jetzt was tun. Deshalb habe ich zu viel gewollt am Anfang, das hat nicht funktioniert“, sagte er über seinen missglückten Strategiewechsel. Doch dann kam der fünfte Stoß auf 13,87 Meter – Bronze. „Der hat mir das Leben gerettet, da bin ich volles Risiko gegangen. Es war befreiend, endlich habe ich einen getroffen“, sagte Tinnemeier, der von Alexander Holstein trainiert wird – und versöhnte sich dann auch mit dem Gastgeberort: „Mit einem dritten Platz kann ich guten Gewissens nach Hause fahren.“
Nach dem erfolgreichen Samstag hat das kleine deutsche Team von Bundestrainer Willi Gernemann nun 19 Medaillen: Sieben in Gold, sechs in Silber und sechs in Bronze. Am Sonntagabend haben noch die 4x100-Meter-Staffel, Irmgard Bensusan über 200 Meter und Alhassane Baldé über 5000 Meter die Chance, die hervorragende Bilanz noch zu verbessern.
Quelle: Nico Feißt