Aktuelles aus dem Bereich Leistungssport
Dr. Karl Quade – DBS-Vizepräsident und Referatsleiter im BMI
Neben seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als DBS-Vizepräsident Leistungssport, leitet Dr. Karl Quade im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) das Referat SP2 "Internationale Sportangelegenheiten". In der Serie "Was bewegt Sie?" stellt das BMI den zweifachen Paralympics-Medaillengewinner und zwölffachen Chef de Mission in einem Interview vor.
Herr Dr. Quade, haben Sie sich heute schon sportlich betätigt?
Ja, ich bin heute schon mit dem Rad gefahren. Ich habe kein Auto in Berlin und bin deswegen immer mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs. Das ist für mich Alltagsmobilität.
Ihr Lebenslauf zeigt viele beeindruckende Erfolge: vom Spitzensportler über das Traineramt bis hin zum Vizepräsidenten des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). Was bedeutet Sport in Ihrem Leben?
Für mich ist Sport ein ganz wesentlicher Teil meiner persönlichen Alltagskultur. Ich komme ja aus einer Generation, in der es noch keine elektronischen Spielzeuge gab. Da war man als Kind automatisch draußen und in Bewegung: Fußball spielen, klettern, das gehörte einfach zum Alltag und hat Spaß gemacht, bis heute.
Wie hat Ihre Liebe zum Sport angefangen?
Zunächst im Turnverein, in den ich als Kind über meine Kumpels gekommen bin. Am liebsten habe ich am Reck geturnt, da war so viel Dynamik drin und das konnte ich gut. In der Turnmannschaft waren wir auf NRW-Ebene in der Spitze unterwegs, aber irgendwann war ich zu lang und zu schwer fürs Turnen und dann kam ich zum Volleyball. Dort spielte ich erst in der Landesliga und ab 1984 auch auf internationaler Ebene.
Welche Highlights Ihrer sportlichen Karriere sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Als Sportler eindeutig die Paralympics 1988 in Seoul. Da haben wir die Goldmedaille im Volleyball gewonnen, das war das Höchste. 14 Tage später habe ich meine Frau geheiratet, die auch als Athletin da war und viel erfolgreicher war als ich. Das war mit Abstand das Highlight. Die gesamten Spiele sind toll gewesen: Alles war sehr gut organisiert, wir hatten viele Zuschauer, die Medien interessierten sich plötzlich für uns. In New York, wo wir vier Jahre zuvor die Silbermedaille gewonnen haben, gab es dagegen nur eine Stahlrohrtribüne, alles wirkte etwas provisorisch. In Seoul hat uns die Stimmung getragen und wir waren besessen davon zu gewinnen. Als es dann geklappt hat, war das etwas ganz Besonderes.
Als Trainer habe ich ab Ende der 80er Jahre in Leverkusen eine Mannschaft im Sitzvolleyball mit aufgebaut, die sehr erfolgreich wurde. Der erste Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1991 war ebenfalls ein Highlight.
Wie war das, als Sie paralympisches Gold 1988 in Seoul gewannen?
Man ist zunächst natürlich voller Adrenalin, das ist alles nicht rational, wenn man auf dem Spielfeld steht, man umarmt sich untereinander, ist auf 180 und kriegt keinen geraden Satz heraus. Pures Glück. Bis man das dann wirklich realisiert, dauert es eine ganze Weile. Die Folgetage sind gefüllt mit Feierlichkeiten, man trinkt das ein oder andere Gläschen, wird „herumgereicht“. So richtig bewusst wurde mir das erst, als ich wieder zuhause war. Da habe ich erstmal 24 Stunden geschlafen und danach langsam realisiert, was gerade passiert war.
Wo bewahren Sie Ihre Medaillen auf, im Safe?
Nein, die Medaillen haben ja vor allem einen ideellen Wert. Wir haben eine Vitrine, in der meine Frau und ich unsere wichtigsten Medaillen aufbewahren. Meine Frau hat im Weitsprung und Sprint sogar insgesamt sechs Goldmedaillen bei Paralympischen Spielen gewonnen, ich habe ja nur eine Silber– und eine Goldmedaille. Aber nicht nur die paralympischen Erfolge bewahren wir dort auf, sondern auch andere Auszeichnungen und Erinnerungen, wie zum Beispiel die „Silbermedaille für den Behindertensport“, die uns 1989 vom Bundespräsidenten von Weizsäcker für Verdienste im Behindertensport verliehen wurde (Anmerkung: Ab 1992 wurde dann das aus dem Olympischen Bereich bekannte Silberne Lorbeerblatt auch an die paralympischen Medaillengewinner verliehen) oder der letzte Sprintschuh meiner Frau. Das sind tolle Erinnerungen für uns, aber auch für unsere Gäste zuhause ist es immer wieder interessant. Die meisten möchten mal eine Goldmedaille anfassen.
Sie sind seit 1995 Vizepräsident Leistungssport und Chef de Mission des DBS. Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen?
Nach meiner aktiven Laufbahn und der Teilnahme an drei Paralympics bin ich vom damaligen Präsidenten des DBS gefragt worden, ob ich mich im Verband engagieren möchte. Ich hatte damals schon die Aufgabe übernommen, den Volleyballsport für Menschen mit Behinderung in Deutschland zu organisieren und wurde dann als Vizepräsident Leistungssport ganz offiziell gewählt. Mit dieser Funktion ist die Aufgabe des Chef de Mission verbunden. Seit 1996 habe ich die deutsche Paralympics-Mannschaft auf diese Weise bei allen Sommer– und Winterspielen unterstützt. Spannend! Das erste Mal in dieser Funktion in Atlanta wurde ich so richtig ins kalte Wasser geworfen. Ganz schwierige Spiele, eine Chaos-Veranstaltung: keine Bettdecken, schlechte Unterkünfte, warm und stickig, das Essen schlecht, und Busfahrer, die nicht wussten, wo es hingeht. Aber man kämpft sich da durch, ich hatte damals wie heute gute Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Irgendwie haben wir es hingekriegt, es sind alle heil nach Hause gekommen.
Das Magazin „Netzathleten“ nennt Sie „Mr. Paralympics“. Zum 13. Mal werden Sie 2021 die deutsche Mannschaft bei den paralympischen Spielen in Tokyo als Chef de Mission unterstützen. Was sind dabei Ihre wichtigsten Aufgaben?
Die Aufgaben sind sehr vielfältig: im Vorfeld sind vor Ort die Sportstätten, Unterkünfte, und Wegstrecken zu prüfen, regionale Kontakte müssen geknüpft und die gesamte Logistik geplant werden. Auch die Nominierung der Sportler durch ein Nominierungskomitee, dem ich vorsitze, gehört zu meinen Aufgaben.
Während der Spiele ist die Organisation und Begleitung der Mannschaft besonders wichtig. Termine müssen koordiniert, Besuche von Politikern eingepasst und ein störungsfreier Ablauf der Wettkämpfe für unsere Sportler gewährleistet werden. Viele Höhepunkte sind jedes Mal dabei: vom Empfang der Mannschaft am Flughafen über den feierlichen Einzug ins Dorf bis zum emotionalen Gänsehautmoment beim Einzug der Mannschaft ins Stadion bei der Eröffnungsfeier.
Auch bei den Wettkämpfen selbst versuche ich möglichst viel dabei zu sein, bei 22 Sportarten ist das allerdings nicht immer zu schaffen. Meine Tage dort sind voll durchgeplant.
Wie haben Sie persönlich die Entscheidung zur Verschiebung der olympischen und paralympischen Spiele auf 2021 aufgenommen?
Ich habe damit gerechnet. Die Sportler konnten recht schnell unter Auflagen wieder trainieren und durch die schnelle Festlegung eines neuen Termins in 2021 gab es auch eine konkrete Perspektive. Jetzt gilt es die Vorteile der langen Vorbereitungszeit zu nutzen.
Sie werden nach der EU-Ratspräsidentschaft das BMI verlassen und in den verdienten Ruhestand gehen. Beenden Sie damit Ihre sportliche Karriere?
Nein, meine Funktion beim DBS werde ich unabhängig von meinem Ruhestand auf jeden Fall weiter wahrnehmen und nächstes Jahr auch nach Tokyo fahren. Eins steht fest: sportlich betätigen werde ich mich immer, soweit mir das möglich ist. Laufen gehen, Rad fahren, segeln, Deichwandern, das wird auch als Pensionär zu meinem Leben gehören.
Und wenn Sie mal nicht mit Sport beschäftigt sind, was machen Sie dann?
Mmh (überlegt lange– Red.: z.B. Kochen?). Kochen kann ich nicht wirklich (lacht). Das kommt vom Segeln, da kann man auch nicht großartig kochen, da muss man nur irgendwie satt werden.
Quelle: BMI