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Als „Wundertüte“ zu den Paralympics
Road to PyeongChang: Das deutsche Rollstuhlcurling-Team möchte bei den Paralympics vor allem Konstanz in den eigenen Leistungen finden und gerne überraschen – Schon die Teilnahme ist ein großer Erfolg
Für die Paralympics im südkoreanischen PyeongChang qualifiziert, bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr am gleichen Ort fast abgestiegen und nun in der Vorbereitung immer wieder starke Gegner besiegt: Für das deutsche Rollstuhlcurling-Team als „Wundertüte“ ist bei der zweiten Paralympics-Teilnahme die Konstanz das große Thema.
Wie definiert ein Team seine Ziele, wenn eigentlich schon die Teilnahme an den Paralympics ein großer Erfolg ist? „Wenn wir immer unsere beste Leistung abrufen, können wir uns vorne platzieren. Die erste Hälfte wäre mein Ziel“, sagt Cheftrainer Bernd Weißer und Skip Christiane Putzich, die als einzige schon bei der ersten Paralympics-Teilnahme 2010 im kanadischen Vancouver dabei war, fügt hinzu: „Mit einem guten Start ist ein Mittelfeldplatz realistisch. Das große Ziel wären die Playoffs, also das Halbfinale, alles andere wäre ein Bonus. Aber wir nennen uns nicht umsonst Wundertüte.“
Bereits vor knapp einem Jahr reiste das deutsche Rollstuhlcurling-Mixed-Team ins südkoreanische PyeongChang. Die Paralympics-Qualifikation war nach Rang sieben bei der WM 2015 und Rang acht 2016 fix und die Mannschaft liebäugelte mit den oberen Plätzen. Die Generalprobe bei den Weltmeisterschaften verlief dann aber alles andere als gut, Zittern inklusive.
Ein Sportpsychologe ist zur Unterstützung mit dabei
„Bis zur Mitte sah es bis auf unser klassisches Einstiegsproblem gut aus, dann kam aber der Knacks und im entscheidenden Spiel gegen die Schweiz war kein Selbstvertrauen mehr da, dann wird das nichts“, sagt Weißer, der Rollstuhlcurling seit 2004 in Deutschland aufgebaut hat. Am Ende drohte Deutschland als Neunter und einem 3:11 gegen die Schweiz fast der Abstieg in die zweitklassige B-Gruppe. Nur die Aufstockung der Teams in der A-Gruppe von zehn auf zwölf Mannschaften verhinderte im vergangenen Herbst, dass Deutschland erstmals seit dem Aufstieg 2014 wieder runter gemusst hätte.
Die Lehre, die Weißer daraus gezogen hat? „Wir haben jetzt in Dr. Christian Heiss wieder einen Sportpsychologen dabei, der uns unterstützt.“ Er war auch 2014 in Norwegen bei der erfolgreichen WM-Qualifikation für 2015 dabei und ist für den Cheftrainer eine „Erleichterung“, wie es der 73-Jährige nennt: „Manchmal fragt man sich: Sie können es doch, warum machen sie es nicht? Da können wir jetzt alle Möglichkeiten und Ansatzpunkte diskutieren und ausschöpfen, um solche Fragen zu lösen.“
In diesem Jahr sind die Ergebnisse durchaus zufriedenstellend. Vor allem beim Vorbereitungsturnier in Finnland wurden sehr starke Gegner bezwungen, am Ende landete das Team auf Rang drei, „aber das ist zweitrangig, viel wichtiger ist, dass wir unser Spiel durchgezogen haben“, erklärt Weißer, der zwischenzeitlich kein Nationaltrainer war, sodass er nun sein Paralympics-Debüt geben wird. Nach dem Sommer sei nach drei bis vier Monaten Pause oft alles auf null gestellt und er müsse erst wieder eine Basis aufbauen, während andere Länder ganzjährig als Profis unter besten Bedingungen trainieren und nicht arbeiten müssten wie sein Team: „Viele opfern dafür ihren Jahresurlaub.“
Der letzte Vorbereitungs-Lehrgang fand am vergangenen Wochenende am Bundesleistungsstützpunkt in Füssen statt, bis zum Abflug am 4. März nach Südkorea steht nur noch ein Kick-Off-Event in Baden-Baden vom 1. bis 3. März auf dem Plan. Die einzige Hiobsbotschaft: Harry Pavel hat sich in der linken Schulter eine Sehne gerissen, doch Weißer ist optimistisch, dass er das bis zu den Paralympics in den Griff bekommt: „Er ist mit der medizinischen Abteilung in Kontakt und wird das hoffentlich mit Kraft kompensieren können, aber so etwas ist immer unschön.“
Zum Auftakt wartet ein „harter Gegner“ auf das Team um Skip Christiane Putzich
Im Auftaktspiel am 10. März wartet mit Russland, das in Sotschi in Abwesenheit von Deutschland Silber gewonnen hatte, direkt ein „harter Gegner“, den Weißer teilweise schon seit 15 Jahren kennt: „Einmal hätten wir sie in dieser Saison fast geschlagen, doch es fehlten ein paar Zentimeter. In unserem Sport entscheiden Nuancen: Ist ein Stein nur zehn Zentimeter zu lang, ist das Spiel verloren.“ 2014 hatte Kanada in Sotschi gewonnen, Weltmeister wurde vor einem Jahr Norwegen, insgesamt sind in Südkorea zwölf Mannschaften am Start.
„Nane“ Putzich soll als Skip zusammen mit den Paralympics-Debütanten Heike Melchior, Martin Schlitt, Harry Pavel und Wolf Meißner dafür sorgen, dass die deutschen Steine im Haus besser platziert sind als die der Gegner. 2016 war sie erstmals als Skip eingesprungen und hatte die Position anschließend behalten. Die beiden letzten Steine wird in Südkorea in der Regel die 42-Jährige vom Curling Club Füssen spielen, außerdem gibt sie die Taktik vor. Während der Olympischen Spiele hat sie sich die Curling-Spiele teilweise angeschaut, „aber nicht nächtelang. Ich nutze das als Vorbereitung und schaue mir an, was ich in unser eigenes Spiel einbauen kann.“ Putzich beschreibt sich dabei als Turniertyp, sie könne erst während eines Turniers die beste Leistung abrufen. Vor allem der Start sei wichtig, „denn wenn wir gut drauf sind, können wir jeden Gegner schlagen – aber das weiß man nie so richtig.“
In der Vorbereitung haben schon ARD, ZDF, SWR und einige lokale Sender mit dem Team gedreht – und Putzich ist voller Vorfreude auf die Paralympics, nicht nur wegen ihrer neuen Rolle: „Das ist jetzt schon sehr aufregend, vor allem auch das Drumherum. Als Skip mache ich mir selbst mehr Druck als 2010 in Vancouver. Ich will das Team zu Siegen führen und mit dazu beitragen, die Paralympics für alle zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen.“
Die deutschen Spiele (Ortszeit):
- März, 14.35 Uhr: Neutrale Paralympische Athleten (Russland)
- März, 9.35 Uhr: USA
- März, 19.35 Uhr: China
- März, 14.35 Uhr: Slowakei
- März, 19.35 Uhr: Südkorea
- März, 14.35 Uhr: Schweden
- März, 19.35 Uhr: Norwegen
- März, 9.35 Uhr: Großbritannien
- März, 14.35 Uhr: Schweiz
- März, 9.35 Uhr: Kanada
- März, 19.35 Uhr: Finnland
Quelle: Nico Feißt