Hilfsmittelversorgung im Sport
Sport ist die große Leidenschaft von Marcel Malchin. Seit einem Unfall vor zweieinhalb Jahren hat er beidseitig eine Beinamputation. Früher spielte der 25-Jährige Fußball und Basketball. Im Rahmen der Talent Days des TSV Bayer Leverkusen hat er erstmals spezielle Sportprothesen getestet – und ist begeistert. Sein Fazit: „Ich kann wieder Joggen wie früher. Es braucht nur das richtige Hilfsmittel.“
Oft ist der Weg der Hilfsmittelversorgung für den Sport von Menschen mit Behinderungen in Deutschland jedoch sehr mühsam und mit vielen Hürden verbunden. Dennoch lohnt es sich, den bisher noch sehr bürokratischen Aufwand in Kauf zu nehmen, um durch das Hilfsmittel für den Sport (z.B. Sportprothesen oder Sportrollstühle) mehr Lebensqualität zu erlangen.
Der Deutsche Behindertensportverband setzt sich für eine unbürokratische und transparente Hilfsmittelversorgung ein – sowohl mit Informationen und Hilfestellungen als auch mit klaren Forderungen an die Entscheidungsträger. DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher: „Sportrollstühle, Sportprothesen und weitere Hilfsmittel zum Sporttreiben müssen für alle zugänglich sein, um Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am Sport zu ermöglichen. Für uns ist es eine Frage von Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Das ist nicht nur ein Ruf an die gesetzlichen Krankenversicherungen und die Eingliederungshilfe, sondern auch an die Politik und die Gesellschaft, dass hier dringend vereinfachte Verfahren herbeigeführt werden müssen, um Menschen mit Behinderung nicht vom Sport auszuschließen.“
Die nachfolgenden Informationen, Tipps und Links zu weiteren Beratungsstellen bieten dazu Unterstützung und geben einen ersten Einblick.
FAQs - Hilfsmittelversorgung im Sport
Unter Hilfsmittel werden Gegenstände verstanden, die Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen im Alltag helfen, schmerzfrei und selbstbestimmt zu leben. Hilfsmittel haben dabei eine ersetzende, unterstützende oder entlastende Wirkung um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Darunter gehören beispielsweise Rollstühle, Prothesen, Gehilfen oder Hör- und Sehhilfen. Hier handelt es sich um Gegenstände, die speziell für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen entwickelt und hergestellt worden sind. Davon abzugrenzen sind Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, die von einer großen Zahl von Menschen genutzt werden (z.B. E-Bikes).
Egal ob mit oder ohne Hilfsmittel: Zunächst kann festgehalten werden, dass sportliche Betätigung nicht nur die körperliche Kondition verbessert – beispielsweise durch Reduzierung von Übergewicht, Muskelaufbau und Verbesserung des Herz-Kreislauf-Systems –, sondern auch nachweislich einen positiven Einfluss auf die Psyche und somit auf die Lebensqualität hat. Doch nicht jeder Sport kann mit den Alltags-Hilfsmitteln durchgeführt werden. So hat sich die Technik der Alltagsprothesen in den letzten Jahren zwar enorm weiterentwickelt, das richtige Laufen ist jedoch nur mit Sportprothesen möglich. Diese funktionieren nach wie vor mechanisch und sind dadurch viel leichter und einfacher aufgebaut als Alltagsprothesen. Auch Sportrollstühle unterscheiden sich in ihrer Funktion zu den Alltagsrollstühlen. So sind beispielsweise die Räder der Rollstühle für Basketball oder Tennis angewinkelt, damit Sie schnell, stabil und wendig sind. Bei Handbikes wird auf die Aerodynamik gesetzt, wohingegen beim Rugby und Hockey spezielle Teile angebracht sind, um den Spieler besser zu schützen.
Laut Hilfsmittel-Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses (HilfsM-RL_2021-03-18_iK-2021-04-01.pdf) können Hilfsmittel durch die gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden, wenn diese erforderlich sind, um
- den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern,
- einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen,
- eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen,
- einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken,
- Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden,
- Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.
Betrifft das Hilfsmittel kein „allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens“, sondern gleicht nur die Folgen der Behinderung im beruflichen, sozialen oder privaten Bereich aus, besteht kein Anspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung.
Laut Krankenkassen gehöre das Sporttreiben als Vereins- oder Freizeitsport nicht zu diesen Grundbedürfnissen. Breiten- und Leistungssport sei, im Gegensatz zum Rehabilitationssport, ein spezielles Mobilitätsbedürfnis, für das Krankenkassen nicht zuständig seien. Es kommt jedoch immer auf den Einzelfall an, ob und welche Hilfsmittel genau eine Krankenkasse eventuell doch übernehmen muss (LSG München, Urteil v. 30.04.2019).
Doch auch bei Ablehnung der Krankenkasse gibt es weiterhin die Möglichkeit, eine Kostenübernahme durch andere Leistungsträger in Anspruch zu nehmen:
- Da laut Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention explizit auch die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten zu einer sozialen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehören, kann bei Ablehnung der Krankenversicherung die Eingliederungshilfe ins Spiel kommen. Hier muss kein gesonderter Antrag an den Zuständigen Träger der Eingliederungshilfe gestellt werden, da die gesetzliche Krankenkasse den Antrag innerhalb von zwei Wochen weiterleiten sollte.
Für privat Versicherte gelten die Regelungen des Sozialgesetzbuches für die Finanzierung von Hilfsmitteln nicht. Hier sind die allgemeinen Versicherungsbedingungen und eventuelle individuelle Zusatzvereinbarungen entscheidend. Demnach kann hier keine allgemeingültige Aussage getroffen werden.
Bei Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen besteht die Möglichkeit, dass die gesetzliche Unfallversicherung bei Bedarf auch Hilfsmittel zur sozialen Teilhabe und damit auch für den Breiten- und Freizeitsport finanziert.
Um das benötigte Hilfsmittel zu erhalten, muss zunächst eine ärztliche Verordnung vorliegen (allgemeine Hilfsmittel Muster 16). Bei der Verordnung sollten die Ärzt*innen darauf achten, dass das Hilfsmittel so präzise wie möglich zu bezeichnen ist. Anschließend kann mit der Verordnung ein Antrag auf Versorgung bei der Krankenkasse gestellt werden.
Lehnt die Krankenkasse den Antrag ab, kann in der Regel innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Dieser muss schriftlich erfolgen, am besten per Einschreiben. Sollte auch der Widerspruch von der Krankenkasse abgelehnt werden, haben die Versicherten die Möglichkeit, binnen eines Monats Klage vor dem Sozialgericht zu erheben. Darüber hinaus gibt es bei Ablehnung der Krankenkasse die Möglichkeit, über die Eingliederungshilfe an das benötigte Hilfsmittel zu kommen. Über die Eingliederungshilfe (Sozialgesetzbuch IX) sollen Menschen mit Behinderung die Leistung erhalten, die sie brauchen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern.
- Aktion Mensch
- EUTB
- APT-Prothesen
- Ottobock
- RehaKIND
- PubliCare (Versorger u.a. im Bereich Blase und Darm)
- DRS
Die Stellungnahmen wurden unter Beteiligung der medizinischen Fachexpertise innerhalb des DBS, u.a. Mitglieder der Kommission Medizin sowie in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP), der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) und der BG Unfallklinik Frankfurt am Main erstellt.
Hier finden Sie einen Handlungsleitfaden Hilfsmittel für Ärzt*innen.
Hier finden Sie eine medizinische Stellungnahme für Betroffene und ihre Angehörige.
Hier finden Sie den Artikel "Hilfsmittelversorgung für den Sport aus Sicht des Deutschen Behindertensportverbandes" aus der Zeitschrift "Recht und Praxis der Rehabilitation" - 4/2024
Sollten Sie weitere Fragen hinsichtlich der Hilfsmittelversorgung im Sport haben, können Sie sich gerne an uns wenden:
Kerstin Aschenbroich
Referentin Medizin (Sportentwicklung)
Tel: 02234 - 6000 - 305
E-Mail: aschenbroich@dbs-npc.de