Ehrenamt und freiwilliges Engagement
„Das Ehrenamt als Form der Freiwilligenarbeit ist gerade für Sportvereine unverzichtbar, unersetzlich und auch unbezahlbar. Durch das Prinzip der basisdemokratischen Grundordnung und der selbstbestimmten Unabhängigkeit ist das Ehrenamt unabdingbar“ (vgl. Wolf, 2001).
„Der höchste Anteil freiwillig Engagierter ist im Bereich Sport und Bewegung zu finden“
(vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2016).
Freiwilliges Engagement in Deutschland
31 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Das ist das Ergebnis des neuen Freiwilligensurveys, den Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium (BMFSFJ), am 14. April 2016 in Berlin vorgestellt hat.
Der Deutsche Freiwilligensurvey (FWS) stellt die wesentliche Grundlage der Sozialberichterstattung zum freiwilligen Engagement in Deutschland dar. In Deutschland wurde der Survey im Jahr 1999 erstmals durchgeführt. Die Befragung der vierten Welle erfolgte im Jahr 2014. Im aktuellen Survey werden nun die Ergebnisse der fünf Jahre zusammengefasst.
In den Zahlen heißt es, dass im Jahr 2014 43,6 % der Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahren freiwillig engagiert ist. Das entspricht 30,9 Millionen Menschen und ist damit in den letzten 15 Jahren um knapp 10 % angestiegen.
Der höchste Anteil freiwillig Engagierter ist mit 16,3 % im Bereich Sport und Bewegung zu finden, gefolgt von den Bereichen Schule oder Kindergarten mit 9,1 % und Kultur und Musik mit 9 %.
In den Altersgruppen der 14- bis 29-Jährigen und der 30- bis 49-Jährigen sind die Anteile freiwillig Engagierter am höchsten. Dabei engagieren sich mehr Menschen mit hohem Schulabschluss im Vergleich zu Personen mit mittlerer und niedriger Schulbildung.
Freiwilliges Engagement findet nach wie vor am häufigsten in einem Verein oder einer gemeinnützigen Organisation statt (44,8 %). Dabei ist häufig zu beobachten, dass Personen, die Mitglied in einem Verein oder einer gemeinnützigen Organisation sind, sich anteilig deutlich häufiger engagieren als Personen, die keine Mitglieder sind. Fast über ein Viertel der Engagierten hat eine Leitungs- oder Vorstandsfunktion inne, wobei Männer immer noch deutlich häufiger eine solche Tätigkeit ausüben als Frauen. Der Anteil derjenigen, die eine Leitungs- und Vorstandstätigkeit ausüben, nimmt seit fünfzehn Jahren kontinuierlich ab. Dabei ist die Bereitschaft, sich zukünftig zu engagieren, groß. Heute ist mehr als jede zweite nicht engagierte Person bereit, sich zukünftig zu engagieren.
Waren es 1999 rund die Hälfte der Engagierten und im Jahr 2009 55,4 %, die bis zu zwei Stunden pro Woche für ihre freiwillige Tätigkeit aufgewendet haben, sind es heute bereits 58,1 % der Engagierten. Dies zeigt, dass die Engagierten heute weniger Zeit auf ihre freiwillige Tätigkeit verwenden. Der Anteil derer, die sechs Stunden pro Woche und mehr aufwenden ist von 22,9 % (1999) auf 18,1 % (2014) gesunken. Dabei übt etwa ein Drittel aller Engagierten die freiwillige Tätigkeit seit mehr als zehn Jahren aus. Der Einstige ins Ehrenamt ist über alle Lebensphasen hinweg verteilt. Geldzahlungen spielen im Engagement eine untergeordnete Rolle. Die Freiwilligen engagieren sich aus eigener Initiative und Motivation heraus. Etwa die Hälfte der Engagierten wurde von anderen Engagierten für die Mitarbeit angefragt. Die Ansprache erfolgt meist durch leitende Personen der Gruppe oder Organisation oder durch Familienmitglieder, Freunde und Freundinnen und Bekannte. Dabei sind Informations- und Kontaktstellen wichtiger geworden.
Engagierte sehen Verbesserungsbedarfe in den Rahmenbedingungen freiwilligen Engagements. Es sollte mehr über Gelegenheiten zum ehrenamtlichen oder freiwilligen Engagement informiert und beraten werden. Ein weiterer Knackpunkt ist die regionale Verteilung von freiwilligem Engagement. In städtischen Regionen liegt der Anteil freiwillig Engagierter deutlich unter dem Anteil in ländlichen Kreisen (vgl. BMFSFJ, 2016).
Engagement im Sport
Ehrenamtliches und freiwilliges Engagement sind für alle Sportvereine in Deutschland essenziell. Da in der vorausgegangen Darstellung keine sportbezogenen Daten vorgestellt wurden, wird dies im Folgenden nachgeholt.
In den Sportvereinen in Deutschland engagieren sich über 8,85 Millionen Menschen, davon etwa 850.000 Amtsträger/innen auf Vorstandsebene, eine Million Übungsleiter/innen, Trainer/innen und Kampfrichter/innen auf der Ausführungsebene sowie sieben Millionen Helfer/innen. Alle diese Personen erbringen eine jährliche Arbeitsleistung von etwa 446 Millionen Stunden (vgl. DOSB, 2013).
Doch auch im Sport nimmt der Fachkräftemangel zu. Während 1999 noch 11,2 % der Bevölkerung sich im Sportbereich engagiert hat, waren es 2009 noch 10,1 %. In absoluten Zahlen sind dies etwa 650.000 weniger Engagierte (vgl. Braun, 2011).
Die Sportvereine merken diesen Rückgang ganz gewaltig und immer mehr (48 %) sehen die Gewinnung und Bindung von ehrenamtlichen und engagierten Mitarbeiter/innen als großes oder sogar sehr großes Problem an (vgl. Breuer, 2010). Dazu zählt vor allem die Gewinnung und Bindung von Engagierten auf Vorstandsebene. Trotz der hohen Zahl an Mitgliedern gelingt es immer weniger, aktiv Sporttreibende auch für die Übernahme eines Ehrenamts zu gewinnen. Ein Grund hierfür kann sein, dass für viele Sportvereine das Ehrenamt und Engagement bisher so selbstverständlich war und meist kein systematisches Freiwilligenmanagement betrieben wurde.
Im Schnitt engagieren sich die Ehrenamtlichen etwa 20 Stunden im Monat für ihren Verein. Dabei liegt das durchschnittliche Alter bei 53,6 Jahren. Etwa zwei Drittel der Ehrenamtspositionen sind von Männern besetzt (vgl. Breuer, 2010).
Weitere Probleme bei der Besetzung freigewordener Vorstandsfunktionen stellen die oftmals unklare Aufgabenbeschreibung dar und die vielen Pflichten, die mit der Übernahme der Ämter verbunden sind und das Spaßmotiv des Engagements nicht unterstützen.
Bezogen auf die verschiedenen Altersbereiche sind die Entwicklungstendenzen bei der Übernahme von Leistungs- und Vorstandsfunktionen durchaus unterschiedlich. Die Quoten der über 65-Jährigen stiegen erkennbar gegenüber dem Jahr 1999 an. Vor allem in den Führungspositionen im Ehrenamt mangelt es an Nachwuchskräften. Die Übernahme dieser Funktionen ist innerhalb von zehn Jahren bei den 30- bis 49-Jährigen und bei den 50- bis 64-Jährigen jeweils um 10 % gefallen. Hierzu liegen möglicherweise unterschiedliche Ursachen vor: Zum einen haben sich die Rahmenbedingungen und die Anforderungen an diese Zielgruppen sehr verändert. Die 30- bis 40-Jährigen beispielsweise sind häufig in anderen Lebenslagen eingespannt. Neben der u. a. beruflichen (Weiter-)Entwicklung, Familiengründung, Eigenheimsuche und der Sorge um finanzielle Absicherung kann dem Engagement, vor allem in zeitaufwendigen Führungspositionen, einfach nicht mehr nachgegangen werden. Hier muss darüber nachgedacht werden, wie Engagement im Sport und die jeweilige Lebenssituation der Menschen besser zusammengeführt werden können. Positiv zu bewerten ist der Anstieg des Engagements bei den 14- bis 29-Jährigen im Jahr 2009.
Motive des Engagements
In diesem Abschnitt soll geklärt werden, welche Gründe für Engagierte den Ausschlag geben sich im Sportbereich engagieren zu wollen. Zu den bedeutsamsten Motiven zählen die gemeinschaftliche Zugehörigkeit und die Mitgestaltungswünsche im sozialen Umfeld. Die Motive sind größtenteils abhängig von der jeweiligen Altersgruppe. Bei den 14- bis 29-Jährigen nehmen die Dimensionen des Qualifikationserwerbes oder des beruflichen Vorankommens an Bedeutung zu, im Gegensatz zu den Engagierten, die bereits die nachberufliche Phase erreicht haben (vgl. Braun, 2016). Meist stehen bei allen Engagierten persönliche, soziale und familiäre Motivationen im Vordergrund, die unterschiedliche Aspekte umfassen. Ehrenamtliches Engagement kann für den/die Einzelne/n unterschiedliche Funktionen erfüllen. Nur selten ist ein einzelnes Motiv bestimmend, häufig überlagern sich mehrere Motivationsaspekte und bedingen sich gegenseitig. Dabei können eine Reihe von Faktoren, die individuell und persönlich bestimmt sind und je nach Alter, Lebenssituation, Bildungsstand, Interessen usw. variieren, unterschieden werden (vgl. DOSB, 2015). Eine Auswahl an Motiven ist nachstehend aufgelistet:
Soziale Motive
- Freude am Umgang mit Menschen
- Stolz auf den Verein
- Geselligkeit
- gemeinsames Erleben mit eigenen Familienmitgliedern
- sozialer Zugewinn
- Vorbildfunktion
- Spaß
- Weitergabe des eigenen Know-how
- Familiäre Einbindung
Anerkennung/Ansehen
- Engagement für das Gemeinwohl
- Stärkung des Selbstwertgefühls
- Anerkennung und Prestige
Verantwortung/Macht
- Verantwortungsgefühl
- Einbringen eigener Vorstellungen
- Bestätigung durch die offizielle Funktion
- Macht
- politischer Einfluss
Eigengewinn
- Freizeitgestaltung
- Erwerb von Qualifikationen
- Ausgleich zum Beruf
- Fort- und Weiterbildung
- Reisen
Bereitschaft zum Engagement wecken
In allen Altersgruppen ist die Bereitschaft ein Ehrenamt aufzunehmen bei den Personen, die zwar im Sport aktiv sind, sich aber noch nicht engagieren, gestiegen (z. B. bei den 30- bis 49-Jährigen von 1999: 29 % auf 2009: 38,3 %). Die Anzahl derer, die „vielleicht bereit“ sind, sich zu engagieren ist ebenso deutlich gestiegen (z. B. bei den 14- bis 29-Jährigen von 1999: 37 % auf 2009: 51 %). Dieses große Potenzial möglicher Engagierter muss in den Vereinen und Verbänden genutzt werden (vgl. Breuer, 2014; DOSB Bestandserhebung, 2014).
Freiwilligenmanagement
Für Sportvereine und -verbände stellen die gestiegenen Ansprüche und Erwartungen, das veränderte Selbstverständnis und die sich wandelnden Motive der Engagierten neue Anforderungen dar. Um diese Änderungen auch zukünftig zu bewältigen und neue Freiwillige zu motivieren, ist es wichtig, ein Freiwilligenmanagement aufzubauen und zu pflegen. Dabei ist es Aufgabe des Sportvereins bzw. des -verbandes, eine Balance zwischen den Anforderungen der Organisation und den Wünschen und Bedürfnissen der Engagierten zu finden. Die verschiedenen Bereiche des Engagements erfordern neben Beratung und Qualifikation auch Motivation und Anerkennung. Daher sollten die verantwortlichen Personen in den Organisationen strategisch und inhaltlich darauf vorbereitet sein, Aufgaben an Freiwillige zu delegieren, Zuständigkeiten und Tätigkeitsfelder klar zu definieren und zu kommunizieren (vgl. DOSB, 2015).
Vorgehen in der Praxis
Freiwilligenmanagement steht für die Planung und Organisation der Freiwilligenarbeit im Verein oder Verband sowie die Betreuung und Begleitung von Ehrenamtlichen. Dabei sind die Tätigkeitsfelder vielfältig und umfassen:
- Bedarfseinschätzung und -planung des Einsatzes von Engagierten
- Gewinnung, Werbung, Ansprache von neuen Freiwilligen
- Erstellung eines Leitfadens für Engagierte
- Vereinbarung von schriftlichen oder mündlichen Engagement-Vereinbarungen
- Organisation und Begleitung der Einarbeitung von Engagierten
- Information über Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sowie deren Organisation
- Betreuung, Unterstützung, Motivation von Freiwilligen
- Ansprechpartner/in für Engagierte
- Anerkennung des freiwilligen Engagements
- Evaluation der Freiwilligenarbeit im Verein/Verband
Ist ein Vereinsmitglied an einer ehrenamtlichen Mitarbeit im Vorstand oder anderen Gremien interessiert, sollte ein gemeinsames Gespräch gesucht werden, in dem alle offenen Fragen von beiden Seiten besprochen werden können. Dabei sollten folgende Inhalte angesprochen werden:
- Vorstellen des Vereins und der ständigen Ansprechperson Thema Engagement und Ehrenamt
- Möglicher Arbeitsbereich
- Unterstützung der/des Mitarbeiters/in und der Zusammenarbeit
- Zeitrahmen des freiwilligen Engagements oder Ehrenamts
- Einarbeitung
- Aufwandsentschädigung/Kostenerstattung
- Versicherungen
- Aus- und Weiterbildungen
- Mitbestimmung in Gremien
- Beendigung der ehrenamtlichen Tätigkeit
Anerkennung und Danksagung
Anerkennung braucht weder große Anlässe noch große Gesten. Sie hat aber eine enorme Wirkung auf ehrenamtliche Mitarbeiter/innen, denn Menschen, die sich be- und geachtet fühlen, engagieren sich gern. Die alltägliche Würdigung ihres Einsatzes sollte daher in jedem Sportverein und -verband eine Selbstverständlichkeit sein.
Zum einen vermitteln nicht-materielle Anerkennungsformen, wie ein nettes Gespräch, Wertschätzung und bestätigen dem/der Engagierten unmittelbar den Wert seiner/ihrer geleisteten Arbeit.
Zum anderen ist es für die Freiwilligen zunehmend wichtig, sich in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit aus-, fort- und weiterzubilden. Möglichkeiten zur Qualifizierung werden unter dem Punkt 5 Qualifizierungsmöglichkeiten vorgestellt. Anerkennungen im öffentlichen Rahmen erfolgen oft in Form der Überreichung von Ehrennadeln, Blumensträußen und kleine Präsenten für langjährige Mitgliedschaft bzw. langjähriges Engagement. Zur Anerkennung gehören auch viele weitere Aktionen und Ideen. Exemplarisch können dies sein:
- Jährlicher Tag des Ehrenamts im Verein
- Wahl zum/zur ehrenamtlichen Mitarbeiter/in des Jahres
- Präsentationswand für alle Ehrenamtlichen mit Foto und kurzer Vorstellung
- Vorstellung ehrenamtlicher Betreuer/innen von Kindergruppen auf Elternabenden
- Vereinskleidung für Ehrenamtliche
- Kostenlose Fortbildungen
- Aktionen, an denen ausschließlich die Ehrenamtlichen (evtl. mit Partner) teilnehmen, z. B. gemeinsames Essen, kulturelles Angebot
Weitere Informationen
Der DOSB hat für die Förderung des Ehrenamts im Sport ein Portal entwickelt, in dem Materialien, Anregungen und Hilfestellungen für die ehrenamtliche Vereins- und Vorstandsarbeit gegeben werden. Hier werden zudem die neuen Zahlen zu ehrenamtlichen Kräften veröffentlicht.
Link: http://www.ehrenamt-im-sport.de/
Literatur
- Breuer, C. & Wicker, P. (2010). Sportvereine in Deutschland. Sportentwicklungsbericht 2009/2010 - Analyse zur Situation der Sportvereine in Deutschland. Frankfurt am Main: DOSB.
- Breuer, C. (2014). Sportentwicklungsbericht 2012/14. Analyse zur Situation der Sportvereine in Deutschland. Köln.
- Breuer, C. & Feiler, S. (2015). Sportvereine in Deutschland – ein Überblick. In C. Breuer (Hrsg.), Sportentwicklungsbericht 2013/2014. Analyse zur Situation der Sportvereine in Deutschland. Köln: Sportverlag Strauß.
- Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (2012). Erster Engagementbericht 2012 – Für eine Kultur der Mitverantwortung. Engagementmonitor 2012. Berlin.
- Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (2016). Freiwilliges Engagement in Deutschland. Zentrale Ergebnisse des Freiwilligensurveys 2012. Zugriff unter https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/freiwilliges-engagement-in-deutschland-/96254
- Deutscher Olympischer Sportbund – Geschäftsbereich Sportentwicklung (2013). Ehrenamt und freiwilliges Engagement im Sport. Frankfurt am Main.
- Deutscher Olympischer Sportbund (Hrsg.), (2015). Ehrenamt & freiwilliges Engagement im Sport. Frankfurt am Main.
- Wolf, J. (2001). Das Ehrenamt im Sportverein: Unverzichtbar! Unersetzlich! Unbezahlbar! Und wie geht’s dem Ehrenamtlichen – als Dienstleister?