Aktuelles aus dem Bereich Anti-Doping
Saubere Leistung ist eine Gemeinschaftsaufgabe
"Saubere Leistung - kein D(op)ing!", war der Titel der 3. Fachtagung Dopingprävention des Hamburger Sportbundes (HSB) im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg-Bergedorf (BUKH). Der Vizepräsident Medizin des DBS und Chefarzt des BUKH, Dr. Roland Thietje, betonte in seinem Grußwort, wie sehr leistungssteigernde Substanzen gesellschaftlich verbreitet sind: „Wir trinken Kaffee, um wach zu werden. In Freistunden laufen Schüler in den Supermarkt und kaufen Energydrinks für den Unterricht nach 17 Uhr. Wir essen antibiotikabelastetes Fleisch, da es nahezu fettfrei ist.“ Thietje verwies auf Studien, die belegten, dass Doping inzwischen auch unter Freizeitsportlern weit verbreitet sei.
Keine Patentrezepte
Doch im Leistungssport gelten andere Regeln als im gesellschaftlichen Leben. Und so will der HSB mit seinem Präventionskonzept einerseits junge Athleten für mögliche Gefahren und „Klippen“ sensibilisieren und andererseits das verantwortliche Umfeld aufklären und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Zudem pflegt er der Austausch mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medizin und Medien – so wie bei der Fachtagung. Renko Schmidt, HSB-Vizepräsident Leistungssportentwicklung: „Unser primäres Ziel ist es, Verantwortlichen kontinuierlich Impulse für ihre Arbeit zu geben und sie miteinander zu vernetzen – ohne erhobenen Zeigefinger!“
Dass es keine Patentrezepte gibt, wie man hoffnungsvollen Talenten einen sauberen Weg durch ihre Karrieren bahnt, verdeutlichte Michael Sauer vom Manfred Donike Institut für Dopinganalytik in seinem Vortrag: „Es gibt nicht die eine praktikable Präventionstheorie, entscheidend ist immer die Situation“, so Sauer, der regelmäßig junge Kaderathleten über Doping aufklärt – zuletzt im Herbst 2011, als der HSB 450 Aktive im Rahmen einer Infowoche versammelte. Wirksame Prävention erfordere neben Informationen über „Dopingfallen“, den Ablauf von Kontrollen, Rechte und Pflichten sowie das ADAMS-System vor allem Klarheit bei den Absendern: „Eine eigene Haltung haben und diese kommunizieren, ohne etwas vorzuschreiben“, ist nach Sauers Überzeugung das beste Rezept.
Für Bernd Stechmann, Anti-Doping-Beauftragter des Ju-Jutsu-Verbandes Hamburg, war ein positiver Dopingfall in den eigenen Reihen denn auch Auslöser, aktiv zu werden: „Es ist wichtig, frühzeitig mit Jugendlichen auf Augenhöhe ins Gespräch über Fairplay und Gesundheit zu kommen.“ Diesen Ansatz vermittelten auch Dominic Müser (NADA) und Prof. Gerhard Treutlein (PH Heidelberg) in ihren Workshops. Tenor: Dopingprävention geht alle Beteiligten an.
Dopingkontrollsystem kritisch diskutiert
Überhaupt ist Dopingprävention eine Gemeinschaftsaufgabe. Henning Schreiber, Referatsleiter für Grundsatz- und Finanzangelegenheiten im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, gab in seinem Impulsvortrag einen Überblick der Akteure in der Dopingbekämpfung und stellte den Beitrag der Bundesländer heraus. „Für den Ausbau der präventiven Arbeit müssen wir die Netzwerke verstärken“, forderte Schreiber.
Unter den insgesamt acht Referenten der Fachtagung, die auf breites Medieninteresse stieß, war auch Dr. Nils Zurawski von der Universität Hamburg. Er nahm das Dopingkontrollsystem kritisch in den Blick und verglich es mit einer Form von „Arbeitsplatzüberwachung“, die in anderen Bereichen nicht zulässig wären. Der Wissenschaftler am Institut für kriminologische Sozialforschung beleuchtete das Spannungsverhältnis der Integrität des Sports und der Privatsphäre der Sportler. „Kontrollen sind eine Form der Überwachung, sie greifen in die informationelle Selbstbestimmung ein.“ Das aktuelle Forschungsinteresse des Abteilungsleiters Rugby beim FC St. Pauli gilt denn auch den (technischen) Grenzen der Kontrolle. Hierzu will er bundesweit Kaderathleten zu ihrem Umgang und ihren Einstellungen mit Dopingkontrollen befragen.
Sein Credo: „Nur weil sie Sportler sind, dürfen nicht die Grenzen der Bürgerrechte übergangen werden.“ Wer besser als eine Betroffene selbst hätte zu diesem Thema antworten können? So schilderte Jana Köhler, ihres Zeichens Beachvolleyball-Nationalspielerin vom HSV, wie sie Dopingkontrollen erlebt. Das ADAMS-System, in dem Athleten ihre Aufenthaltsorte registrieren müssen, bereitet der 26-Jährigen Stress: „Ich habe oft Angst, zu vergessen, dort Termine einzutragen. Insofern könnte ich besser mit einem eingepflanzten Chip leben.“
Hintergrundinformationen aus erster Hand
Für Staunen sorgte Oberstaatsanwalt Kai Gräber. Er gab Einblicke in die Arbeit von Deutschlands einziger Doping-Staatsanwaltschaft in München. 2009 eingerichtet, beschäftigt die Behörde heute 2,5 Referenten, die nur mit der Verfolgung von Dopingfällen beschäftigt sind. Erfolg: 2011 liefen 478 Verfahren wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz, 2012 kam es bereits zu 205 Anklagen. Insgesamt erwirkte die Staatsanwaltschaft bislang 620 Monate Freiheitsstrafe für Personen, die geschäftsmäßig mit Dopingsubstanzen handelten. Gräber veranschaulichte den inzwischen weltumspannenden und äußerst lukrativen Handel mit verbotenen Substanzen: „Ein verurteilter Großhändler hatte mehr Flugmeilen auf seinem Konto als mancher Vorstandschef.“ Und noch eine Zahl ließ aufhorchen: 80 Prozent der Delikte passieren im Breitensport, davon wiederum 80 Prozent im Kraftsport.
Es zählt zur guten Tradition der Fachtagung, dass auch profilierte Journalisten zu Wort kommen. Diesmal folgte Ralf Meutgens der Einladung des HSB und referierte zur Radsport-Dopinghistorie.
Der Ex-Radamateur und -Trainer hat in jahrelangen Recherchen herausbekommen, dass es viel Missbrauch auch in der zweiten Reihe der Aktiven gebe. Und: „Es gibt leider nur sehr wenige Profis, die sich ihrer Vergangenheit stellen.“ Für den freien Journalisten, unter anderem für die FAZ tätig, steht fest, dass insbesondere die Verhältnisprävention, also das Zusammenspiel der beteiligten Akteure, verbessert werden müsse.
Dr. Helge Riepenhof, sportmedizinischer Leiter des Kompetenznetzwerkes Sport am BUKH, zeichnete Entwicklungen unter der Überschrift „Vom Koffeinverbot bis zur No-needle-rule – Nebenwirkungen der Anti-Doping-Regeln“ nach. Unter anderem würde bei den Olympischen Spielen in London der Einsatz von Nadeln zur Behandlung nur noch in sogenannten „hospitalized areas“ (z.B. Kliniken) erlaubt. Der Mediziner plädierte für zahlreiche Verbesserungen in der Bekämpfung von Doping. Ein wesentlicher Kritikpunkt: „Ich verstehe nicht, warum beim Verbot von Substanzen zwischen Wettkampf und Training unterschieden wird – Doping ist Doping!“, so Riepenhof.
HSB-Vizepräsident Renko Schmidt zeigte sich am Ende der 3. Fachtagung Dopingprävention „vollauf zufrieden“. Im Live-Interview bei Deutschlandradio sagte er: „Die gute Resonanz bei Teilnehmern und Referenten zeigt, dass wir mit unserem Konzept auf dem richtigen Weg sind.“ Dass zu diesem Weg auch verlässliche Partner wie die Behörde für Inneres und Sport sowie das BUK Hamburg gehören, betonte Schmidt und bedankte sich für deren Unterstützung.
(Quelle: Jan Schütte/Hamburger Sportbund - Bildquelle: DRS)