Aktuelles vom Blindenfußball

„Wir haben aufgeholt – und sind hoch motiviert“

Blindenfußball-EM in Berlin: Cheftrainer Ulrich Pfisterer erwartet beim großen Highlight spannende Spiele auf Augenhöhe – Das Erreichen des Halbfinals sei „schwierig, aber nicht unmöglich“

Die deutsche Blindenfußball-Nationalmannschaft
Die deutsche Blindenfußball-Nationalmannschaft © BSB / Schmidt

Trainingseinheiten, Zusatzschichten und ein Musical zur Abwechslung – die deutsche Blindenfußball-Nationalmannschaft ist in Berlin angekommen und bereitet sich intensiv auf die Europameisterschaft vor, die vom 18. bis 26. August 2017 mitten in Deutschlands Hauptstadt stattfindet. In der Arena am Anhalter Bahnhof kämpfen unweit des Potsdamer Platzes zehn Mannschaften um Europas Krone. Es ist eine Premiere: Erstmals finden internationale Titelkämpfe im Blindenfußball auf deutschem Boden statt.

Für das deutsche Team geht es nun in den verbleibenden Stunden bis zum Auftaktspiel am Freitag, 18. August, um 19.30 Uhr gegen Italien um den Feinschliff. „Wir haben uns intensiv vorbereitet und ziehen alle Register – ob Videoanalyse oder Mentaltraining. Es geht darum, die letzten Prozentpunkte herauszukitzeln, da die Mannschaften vom Leistungsvermögen eng beieinander liegen. Da können Kleinigkeiten entscheiden“, weiß Cheftrainer Ulrich Pfisterer. An der Motivation wird es freilich nicht scheitern. „Die Jungs machen sogar Extra-Einheiten und sind heiß, weil sie wissen, dass sie etwas Großartiges erreichen können. Das soll sie nicht hemmen, sondern beflügeln. Es ist guter, positiver Stress. Was gibt es schöneres, als mitten in Berlin eine EM austragen zu können und zu zeigen, dass auch in Deutschland Blindenfußball gespielt wird“, betont Pfisterer. Vorfreude statt Nervosität, das ist das Motto. „Wir sind hoch motiviert und freuen uns alle riesig auf das Turnier.“

2004 feierte Blindenfußball bei den Spielen in Athen paralympische Premiere. In Deutschland gibt es die Sportart erst seit elf Jahren, zu den Paralympics schaffte es die deutsche Auswahl noch nie. Das soll sich 2020 in Tokio unbedingt ändern. „Wir haben aufgeholt. Auf europäischer Ebene sind wir dabei und auf Augenhöhe, da kann alles passieren“, sagt Pfisterer. Einen großen EM-Favoriten gebe es jedenfalls nicht, findet der Cheftrainer. „Doch auch die anderen Nationen nehmen das Turnier sehr ernst und wollen etwas reißen. Schon unsere Vorrundengruppe hat es in sich.“

Zum dritten Mal in Folge trifft Deutschland in einer EM-Vorrunde auf Italien, Frankreich und England, dazu kommt Rumänien. Nach den vier Spielen will die Pfisterer-Elf den Einzug ins Halbfinale feiern. „Das wird schwierig, aber nicht unmöglich. Es liegen enge und spannende Duelle vor uns, da kann am Ende auch das Torverhältnis entscheidend sein“, sagt der Cheftrainer. So hofft er, dass beispielsweise die Stürmer Alican Pektas und der erst 17-jährige Jonathan Tönsing ihre Torjäger-Qualitäten unter Beweis stellen, auch Taime Kuttig und Alexander Fangmann suchen mit Tempo aus dem Mittelfeld immer wieder den Abschluss. „Wir haben verschiedene Spielertypen im Kader, was uns sehr variabel macht. Das könnte unsere große Stärke sein“, erklärt Ulrich Pfisterer.

Die deutsche Blindenfußball-Nationalmannschaft ist jedenfalls bestens vorbereitet und hoch motiviert – mit dem Heimpublikum im Rücken will das Team ins Halbfinale stürmen. Und den faszinierenden Sport in Deutschland noch bekannter machen, um die gute Entwicklung der vergangenen Jahre weiter voranzutreiben. Eine erfolgreiche Heim-EM wäre dafür beste Werbung.

Blindenfußball:
Beim Blindenfußball treten pro Mannschaft jeweils fünf Spieler auf einem 40x20 Meter großen Kunstrasenplatz, das an den Längsseiten durch Banden begrenzt wird, gegeneinander an. Die vier Feldspieler sind blind, während ein sehender Torwart ein Hockeytor bewacht – allerdings mit einem kleinen Wirkungsbereich (5,66x2 Meter), den er nicht verlassen darf. Er kann ebenso Kommandos geben wie der Trainer und ein sogenannter „Hintertor-Guide“, der besonders der Offensive und beim Torabschluss Orientierung verschafft. Die Zurufe von außen sorgen dafür, das Spiel zu koordinieren und den Akteuren eine Vorstellung davon zu geben, wie die Spielsituation um sie herum aussieht. Zudem ist jeder Spieler dazu verpflichtet, das international gebrauchte Wort „Voy“ zu rufen, wenn er sich dem Ballführenden nähert. So sollen Zusammenstöße vermieden werden. Voy kommt aus dem Spanischen und bedeutet so viel wie „ich komme/gehe“. Der Ball ist in seiner Sprungfähigkeit reduziert und hat einen rasselähnlichen Sound. Ab dem sechsten und jedem weiteren Teamfoul in einer Hälfte erhält die gegnerische Mannschaft einen Achtmeterstrafstoß zugesprochen. Die Spielzeit pro Halbzeit beträgt 20 Minuten, wobei bei jeder Unterbrechung die Zeit angehalten wird.

Der deutsche Kader:
Tor: Sebastian Themel (33 / Leipzig / Chemnitzer FC), Sebastian Schleich (24 / Marburg / SF Blau-Gelb Marburg); Feld: Alexander Fangmann (32 / Stuttgart / MTV Stuttgart), Mulgheta Russom (39 / Stuttgart / MTV Stuttgart), Lukas Smirek (33 / Stuttgart / MTV Stuttgart), Rasmus Narjes (17 / Bispingen (Niedersachsen) / FC St. Pauli), Jonathan Tönsing (17 / Hamburg / FC St. Pauli), Hasan Koparan (29 / Köln / FC Schalke 04), Alican Pektas (24 / Gießen / SF Blau-Gelb Marburg), Taime Kuttig (25 / Horrem (NRW) / Borussia Dortmund); auf Abruf: Hasan Altunbas (26 / Dortmund / Borussia Dortmund).

Hinweis: Hier geht es zum Bericht über Nationalspieler Taime Kuttig.