Aktuelles von den Paralympics

„Dagegen war Sotschi fast Urlaub“

Berlin, Hamburg, München – kaum von den Paralympics aus Sotschi heimgekehrt, war Monoskifahrerin Anna Schaffelhuber in der gesamten Bundesrepublik unterwegs. TV-Talkshows, Radio- und Zeitungsinterviews, Empfänge sowie Ehrungen hießen in den vergangenen zwei Wochen die Disziplinen statt Abfahrt, Slalom und Super-G. Stets mit im Gepäck: ihre fünf Goldmedaillen, die sie bei den Winterspielen ergatterte. Und mit denen die erst 21-Jährige Sportgeschichte geschrieben hat.

Nicht nur das. Gold-Anna wurde zum Covergirl der Paralympics auserkoren, zum Gesicht der Spiele. Und damit zu einer gefragten Gesprächspartnerin. Schaffelhuber bei Markus Lanz, Schaffelhuber im Morgenmagazin, Schaffelhuber bei Tietjen und Hirschhausen, Schaffelhuber im Interview mit der Bunten – Schaffelhuber überall. Über 30 Termine standen in den ersten zwölf Tagen nach den Paralympics an. „Die Zeit danach war ziemlich anstrengend. Sotschi war dagegen fast schon Urlaub“, schmunzelt sie, ergänzt aber: „Es macht mir auch Spaß.“

Die sympathische Bayerbacherin sorgt dafür, dass der paralympische Leistungssport auch nach dem Erlöschen des Feuers in Sotschi im Gespräch bleibt. Und nicht – kurz nachdem die Paralympics offiziell für beendet erklärt wurden – in der Versenkung verschwindet. „Das ist nicht nur für mich schön, sondern für den gesamten Sport, der noch präsent bleibt und Aufmerksamkeit bekommt. Für die nächsten Jahre ist das sehr wichtig und auch eine Portion Motivation“, erklärt die beste Monoskifahrerin der Welt, die seit der Geburt querschnittgelähmt ist.

Selbst bei „Schlag den Raab“ tauchte Schaffelhuber beim Spiel „Wer ist das?“ auf und wurde von Stefan Raab auf Anhieb identifiziert. Doch nicht nur der TV-Star kennt die 21-Jährige. „Ich kann kaum noch unbemerkt aus der Tür gehen, das ist schon unglaublich.“ Zudem stapeln sich die Autogrammwünsche. „Ich habe einen ganzen Korb voll, den ich abarbeite“, lacht Schaffelhuber.

Deswegen glaubt sie auch nicht, dass der paralympische Wintersport nun wieder vier Jahre komplett in der Versenkung verschwindet. „Es wäre schön, wenn kontinuierlicher über unseren Sport berichtet würde.“ Beispielsweise Anfang 2015, wenn mit der Weltmeisterschaft in Kanada wieder ein Highlight auf dem Programm steht.

Das hofft auch Friedhelm Julius Beucher. „Vancouver war schon ein großer Sprung nach vorne, aber Sotschi toppt alles. Noch lodert die Flamme und die Nachfrage ist nach den Spielen spürbar gestiegen“, betont der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes. „Unsere Sportlerinnen und Sportler haben sich mit ihren tollen Leistungen großen Respekt verschafft“, fügt Beucher an.

Positiv stuft auch der ehemalige Monoskifahrer Martin Braxenthaler die Entwicklung rund um den Behindertensport ein. „Bei uns war der Trubel speziell nach Vancouver 2010 auch anfangs geballt, aber ganz so im Fokus standen wir nicht“, erklärt der zehnfache Paralympics-Sieger. Das hänge auch damit zusammen, dass Anna Schaffelhuber die herausragende Persönlichkeit der Spiele sei. „Sie ist mit ihrer Art der Mitauslöser für diesen Hype und ist als Vorbild enorm wichtig für den Nachwuchs“, sagt Braxenthaler.

Denn an den alpinen Talenten mangele es, schon in Sotschi seien die deutschen Athleten nur in drei der insgesamt sechs Klassen an den Start gegangen. „Deswegen dürfen wir uns auf keinen Fall auf den Erfolgen ausruhen. Wir brauchen erfolgreiche Sportler in der Breite“, betont Braxenthaler. Es müssten Strukturen geschaffen werden, die dafür sorgen, dass auch zukünftig ein schlagkräftiges deutsches Team zu den Paralympics geschickt wird.

Damit auch in vier, acht und zwölf Jahren noch solche Erfolge wie in Sotschi bejubelt werden können. Das öffentliche Interesse am paralympischen Sport jedenfalls ist da – das spürt nicht zuletzt Anna Schaffelhuber in diesen Tagen deutlich.

Quelle: Kevin Müller