Mit einem großen Koffer voller Eindrücke zurück

Bericht des Paralympischen Jugendlagers der DBSJ

Gruppenfoto des Paralympischen Jugendlagers Rio 2016
© DBSJ

Frankfurt, 21. September 2016, 5:55 Uhr. Die Boeing 767 aus Rio de Janeiro ist gelandet. Neben Teilen der Mannschaft gehört auch das Paralympische Jugendlager zu den Passagieren. 16 aufregende Tage liegen hinter der 57-köpfigen Gruppe. In den Gesichtern erkennt man neben der Müdigkeit die Freude und das aus Rio mitgebrachte Feuer.

Dank der maßgeblichen finanziellen Förderung durch die Aktion Mensch sowie vieler weiterer ideeller und finanzieller Unterstützer ist der Traum von 37 Jugendlichen mit und ohne Behinderung Wirklichkeit geworden: die Paralympics 2016 in Rio de Janeiro vor Ort mitzuerleben. Erstmals in der Geschichte des Nationalen Paralympischen Jugendlagers gab es Kooperationen mit Landesverbänden, sodass acht Jugendliche des Landesverbandes Württemberg sowie vier Jugendliche des Landesverbandes Bayern an dem gemeinsamen Jugendlager teilnahmen. Die Jugendlichen wurden durch eine dreiköpfige Delegationsleitung, 14 Betreuerinnen und Betreuer, eine halbbrasilianische Übersetzerin sowie das Nachwuchsreporterteam von der Telekom und der Aktion Mensch, den „RioMaNiacs“, begleitet.

Auf ihrer Rückreise haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Andenken in Form von wertvollen interkulturellen Erfahrungen und emotionalen Erinnerungen sowie einer neu entfachten Leidenschaft für ihren Sport bzw. ihr ehrenamtliches Engagement im Gepäck. Der Besuch der Paralympics in Rio ermöglichte den Jugendlichen, ihre Vorbilder hautnah zu erleben, sie anzufeuern und mit ihnen Sieg oder auch Niederlage zu teilen. Und die Athletinnen und Athleten sowie die Betreuerinnen und Betreuer der Deutschen Paralympischen Mannschaft waren begeistert von der unüberhörbaren Unterstützung des Jugendlagers auf den Tribünen und standen gerne für persönlich Gespräche oder gemeinsame Fotos zur Verfügung. Der Besuch im Paralympischen Dorf war ebenfalls ein ganz besonderes Erlebnis – schließlich ist es durchaus der Traum einiger junger Sportlerinnen und Sportler, im Jahr 2020 in Tokio selbst einmal eine solche Unterkunft beziehen zu können.

Das Erlebnis Paralympics bewirkte jedoch bei den Teilnehmenden noch viel mehr als einen neuen Motivationsschub für ihre Leidenschaft und für die Fokussierung auf ihr Ziel, einmal selbst bei den Paralympics starten zu können: Sie konnten sich ein persönliches Bild von der Stadt Rio de Janeiro sowie den Brasilianerinnen und Brasilianern machen, setzten, ausgelöst durch die Motivation, möglichst viele verschiedene Pins und Andenken mit nach Deutschland zu nehmen, kreative Methoden zur Kommunikation mit anderen Besucherinnen und Besuchern ein und lernten bei der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel Achtsamkeit und ein gewisses Maß an Verantwortung für sich und die anderen Gruppenmitglieder. Vielleicht half auch der Blick in die Werkstatt von Otto Bock sogar dabei, den Berufswunsch näher zu definieren.

Spannend waren auch die Begegnungen mit brasilianische Kindern und Jugendlichen. Im Institute Bola Pra Frente, einem Fußball-Institut, das durch den bekannten brasilianischen Fußballer Jorginho gegründet wurde, trafen die Teilnehmenden Dank einer Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit,  einem Institut der Bundesregierung, auf brasilianische Gleichaltrige, mit denen sie sich über ihren Sport und das gemeinsame Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung in beiden Ländern austauschten. Darüber hinaus waren sie beim Fußball und Sitzvolleyball sportlich aktiv und stellten sich gemeinsam Geschicklichkeitsaufgaben – entwickelt von der Kampagne „RIO BEWEGT.UNS.“. Ein besonderes Highlight des Besuches war das Kennenlernen und praktische Ausprobieren der brasilianischen Kampfkunst Capoeira. Auch beim Besuch des Sozialzentrums Centenario in Nova Friburgo wurde deutlich, dass Bewegung, Spiel und Sport die Menschen verbindet und gemeinsam Freude bereitet – unabhängig von Herkunft und Sprache. Den Jugendlichen wurde aufgezeigt, wie unterschiedlich Kinder in den verschiedensten Ländern aufwachsen. So wurde es zu einer Herausforderung, die Neugierde einiger kleiner brasilianischer Kinder in Bezug auf die Rollstühle zu befriedigen, die diese zum ersten Mal in ihrem Leben sahen, und ihrem Wunsch nach einer „Mitfahrgelegenheit“ nachzukommen. Umgekehrt lernten die deutschen Jugendlichen die Lebensumstände vor Ort, die regionalen Spezialitäten, die brasilianische Gastfreundschaft und den deutlich gelasseneren Umgang mit neuen Herausforderungen kennen.

Weitere Möglichkeiten zum Austausch über die Ereignisse in Rio boten sich mit  der mehrfachen Paralympics-Siegerin und heutigen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Verena Bentele, mit Mitgliedern des Sportausschusses des Bundestages sowie mit den Jugendlichen des Österreichischen Jugendlagers. Und auch der Besuch des Deutschen Hauses im Rahmen des Pre-Opening oder des Nachwuchsabends bot weiteren Raum zum Austausch mit vielen Teilen der Paralympischen Mannschaft.

Die vielen Erlebnisse werden die Teilnehmenden des Paralympischen Jugendlagers ihr Leben lang ganz individuell begleiten. Nachdem vor der großen Reise an den Zuckerhut gesungen wurde „Es geht nach Rio, Rio de Janeiro…!“ bleibt nun die Hoffnung, sowohl viele von ihnen noch lange auf nationaler Sportebene verfolgen und begleiten zu können als auch erneut auf internationaler Ebene wiederzusehen - und sie vielleicht sogar „Tokio, wir kommen!“ rufen zu hören, ob als ehrenamtlich Engagierte oder sogar  als Aktive bei den Paralympics!