Aktuelles von der DBSJugend
„Ein Geschenk für die Kinder“
Leonie Walter und Sally Leidinger sind mit Medaillen vom Winterfinale „Jugend trainiert für Paralympics“ aus Schonach zurückgekommen und freuen sich schon auf das nächste Jahr
Reisestrapazen einer Zwölfjährigen? Leonie Walter muss lachen. „Es war schon viel, aber eher, weil ich am Sonntag und Montag vor dem Bundesfinale gleich zweimal gestartet bin“, sagt die erfolgreiche Skilangläuferin aus St. Peter im Hochschwarzwald. Mit „Taxi Mama“ war Leonie am Wochenende vor dem Bundesfinale „JUGEND TRAINIERT FÜR PARALYMPICS“ (JTFP) noch in Finsterau im Bayrischen Wald im Einsatz gewesen.
Dort startete sie bei einer Nachwuchsveranstaltung im Rahmen des Heim-Weltcups der Paralympischen Ski Nordisch Mannschaft und auf Geheiß des DBS-Nachwuchstrainers Michael Huhn. „Leonie ist gut genug, das wegzustecken“, hatte Huhn schon vor Schonach gesagt – und Recht behalten: Nach dem Rennen in Finsterau ging es Montagabend direkt nach Schonach in den Schwarzwald. Ihr ganz persönlicher Saisonhöhepunkt: das Winterfinale von JTFP. Leonie Walter im Einsatz mit der Städtischen Schule für Sehbehinderte St. Michael Waldkirch.
Auch dank ihrer starken Zeit gewannen die Waldkircher Schule am Ende – Leonie Walter war mit 6:45,2 Minuten nach Technikparcours und Staffel drittschnellste aller 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Früher im Ziel waren nur zwei Mitschüler. „Es ist für mich ganz normal, dass ich schnell bin“, sagt sie. „Ich war zufrieden, wie es gelaufen ist. Den Technikparcours mit Kreisfahrt, Abfahrt, Slalom, Spurwechsel und Berghochfahrt habe ich gut hinbekommen.“
Das sind wohl die Gene. Schon die Oma fuhr Ski, Langlauf sind auch ihrer Mutter und ihrem Vater vertraut. Mit fünf Jahren fuhr sie Ski Alpin, Langlauf kam dazu, auch Schwimmen probierte sie aus. Inzwischen ist der Langlauf (skaten viel lieber als klassisch) ihre Leidenschaft. Ihre Mutter Renate sagt: „Leonie muss man eher bremsen. Sie ist schon ziemlich stark und will auch gewinnen.“ Deswegen wird im Sommer zwecks Formaufbaus auch gejoggt (was sie nicht so schätzt) oder geschwommen und auf Inlinern geskatet.
Leonie Walter hat seit ihrer Geburt ein Sehvermögen von etwa zehn Prozent und läuft mit einem Guide. In Schonach war das ihr Lehrer Frank Wagner. Ein Kerl, wie man ihn sich als Guide wünscht: Immer mit guten Worten und Taten den jungen Athletinnen und Athleten zur Seite stehend. Leonie Walter geht als „Betreuungskind“ auf die Werkrealschule Dreisamtal, eine Regelschule.
Direkte sportliche Vorbilder habe sie nicht, sagt Leonie Walter, aber das klare Ziel, einmal als Athletin bei Paralympischen Spielen zu starten. Die letzten in Sotschi hat sie im Fernsehen verfolgt, ohne spezielle Favoriten – „wenn Wintersport kommt, schaue ich fast alles.“
Wer im Januar das erste Mal auf Skiern im Schnee stand und im Februar den dritten Platz vom Winterfinale „JUGEND TRAINIERT FÜR PARALYMPICS“ mit nach Hause bringt, der ist wohl (auch) ein Langlauf-Talent. Auf Geheiß ihrer Lehrerin Ute Kiefer traute sich die elf Jahre alte Schülerin Sally Leidinger auf die langen Latten in die Loipe. Vorher war Sally Leidinger in der Langlauf-AG der Schule seit November auf Rollerski in der Halle gefahren. „Frau Kiefer meinte, ich solle es mal ausprobieren, es könnte mir Spaß machen. Hingefallen bin ich nicht“, sagt Sally Leidinger über die ersten Erfahrungen im Schnee. Und das, obwohl sie aus dem saarländischen Eppelborn stammt. Im nahen Lebach geht sie aufs Johannes-Kepler-Gymnasium und die Louis-Braille-Schule für Sehbehinderte. Sally ist seit ihrer Geburt auf einem Auge blind. Eigentlich, so erzählt ihre Mutter Bianca, seien die Leidingers eine Handballfamilie. Sally selbst spielt in der D-Jugend der JSG Dirmingen/Schaumberg, „alles außer Tor“, wie sie sagt. Nun also Skilanglauf. In einem großen, bundesweiten, professionell veranstalteten Wettbewerb.
Ihre Eltern haben mitgeholfen, Sally Leidinger diesen Traum zu erfüllen – in den Faschingsferien sind sie wieder mit ihr nach Kniebis im Schwarzwald gefahren, wo sie auch im Januar beim Landesfinale JTFP die ersten Versuche auf Skiern unternommen hatte.
Das Training hat sich ausgezahlt. Beim Winterfinale Ende Februar in Schonach meisterte Sally Leidinger den zwei Mal 500 Meter langen Technikparcours ebenso eindrucksvoll wie den Kilometer in der Loipe. Heraus sprang mit einer Zeit von 9,11:2 Minuten der insgesamt zwölfte Platz für die Startnummer 53 aus dem Saarland.
Unter den Mädchen war Sally Leidinger gar die drittbeste. Mit ihrer Schule belegte Integrationskind Sally nach Technikparcours und Staffel den dritten Platz. Das gab die Bronzemedaille bei der feierlichen Ehrung am Abschlussabend. Inklusion und Integration wurden in diesem Falle großgeschrieben, denn die Mitglieder des saarländischen Langlaufteams kommen aus Regelschulen und der Braille-Schule.
Im Gespräch merkt man der jungen Athletin an, dass die Erinnerungen noch frisch und die Begeisterung für die Tage im erst verregneten, dann winterweißen Schwarzwald erst langsam verhallen. Neben dem Sport gab es für die Mädchen noch weitere Highlights, wie die Eröffnungsfeier oder die Après-Ski-Party der Deutschen Bahn, dem Hauptsponsor von JTFO und JTFP, von denen die beiden Mädchen begeistert erzählen. „Ich fand das Rahmenprogramm sehr schön und war mit meinem Ergebnis sehr zufrieden. Ich möchte auf jedem Fall mit dem Skilanglauf weitermachen und im nächsten Jahr wieder teilnehmen“, sagt sie. „Handball muss ich dafür nicht aufgeben, ich kann beides machen.“
Wie reibungslos alles in Schonach ablief, wie bereichernd der Kontakt mit anderen Schülern und Schulen war und dass sie das Saarland vertreten durfte, habe sie darüber hinaus beeindruckt, erzählt ihre Mutter Bianca: „Wir haben als Familie nichts von ihr erwartet, dachten an den Spruch ,Dabeisein ist alles‘, und dann schlägt sie sich so toll. Das hat uns begeistert. Es waren viele schöne Eindrücke für sie.“ Dass Sally Leidingers Großeltern in Schonach dabei waren und bezeugen konnten, wie selbständig und erfolgreich ihre Enkeltochter ist, war für Oma und Opa rührend – wie es die junge Athletin genoss, ein Stück Familie in der Fremde dabei zu haben.
Eltern wie Athleten erlebten die Schonacher Tage als Werbung des Behindertensports. Mehr noch. Leonie Walters Mutter ist erfüllt von dem, was sie erlebt hat. Sie sagt: „Leonie war zum zweiten Mal bei einem Bundesfinale. Diese Veranstaltung ist ein Geschenk für die Kinder. Sie vermittelt ihnen Freude am Sport, Freude am Teamgefühl. Gerade, weil die Wettbewerbe JTFO und JTFP zusammen stattfinden. Es bedeutet für die behinderten Schüler, mittendrin zu sein, nicht am Rande zu stehen. Es ist eine große Begeisterung aller Teilnehmer, die vom Winterfinale ausgeht.“ Solche Sätze werden die Ausrichter gern hören – für die Deutsche Schulsportstiftung, die Deutsche Behindertensportjugend (DBSJ) und den Hauptsponsor, die Deutsche Bahn (DB). Ein Beleg, dass „Jugend trainiert für Paralympics“ und „Jugend trainiert für Olympia“ zusammen gehören und ihren Platz in der deutschen Sportlandschaft verdienen.
© Frank Heike