Aktuelles von JTFP

Interview mit DBSJ-Vorsitzenden Fleischmann

Platzhalter


Von JUGEND TRAINIERT FÜR OLYMPIA, dem bundesweiten Schulwettbewerb der Deutschen Schulsportstiftung, hat fast jeder schonmal gehört. An das erfolgreiche Vorbild lehnt sich JUGEND TRAINIERT FÜR PARALYMPICS bewusst an, ein Wettbewerb, der seit 2010 für Schülerinnen und Schüler an den Förderschulen ausgeschrieben wird. Organisiert wird das Pilotprojekt von der Deutschen Behindertensportjugend (DBSJ), der Jugendorganisation des DBS – gemeinsam mit der Deutschen Schulsportstiftung.

Im Juni letzten Jahres fand das erste Bundesfinale mit 160 Kindern und Jugendlichen aus neun Bundesländern in Kamen statt (OT Sport 7/10 berichtete). Im Juni geht der Wettbewerb, der jährlich wiederholt werden soll, mit seinem Finale im renommierten Bundesleistungszentrum Kienbaum einem weiteren Höhepunkt entgegen.

Die OT Sport sprach mit Norbert Fleischmann, dem Vorsitzenden der DBSJ, über das Pilotprojekt und das Bundesfinale.

OT: Letztes Jahr fand nach langen Vorbereitungen die erste Pilotveranstaltung von JUGEND TRAINIERT FÜR PARALYMPICS statt. Dieses Jahr folgt die zweite Runde. Der Begriff „Pilotveranstaltung“ signalisiert, dass der Wettbewerb noch nicht seine finale Fassung erreicht hat – ist das richtig?

Fleischmann: Ja, wir befinden uns quasi im Vorlauf und testen, wie wir die Veranstaltung auf feste Beine stellen können. Derzeit schultert unser Verband, die DBSJ, die Organisation fast ganz alleine, was für einen so kleinen Verband eine große Aufgabe ist. Deshalb möchten wir die Organisation der Veranstaltung allmählich in die Hände der Deutschen Schulsportstiftung übergehen lassen. Die Bezeichnung „Pilotveranstaltung“ zeigt unter anderem auf, dass es zum Beispiel zu Beginn des Jahres beziehungsweise für die Folgejahre noch offene Finanzierungsfragen gibt oder gab. Mit der Deutschen Bahn AG haben wir aber einen verlässlichen Hauptsponsor. Auch waren Kleinigkeiten bei den Regeln für Rollstuhlbasketball in diesem Jahr anzupassen. Das Konzept, das uns vorschwebt, festigt sich aber jetzt und wird im Grunde dieses Jahr nur noch einmal überprüft. Ich gehe davon aus, dass nächstes Jahr die Pilotphase abgeschlossen ist. Wir sind letztes Jahr mit Schülern aus neun Bundesländern gestartet, dieses Jahr haben wir 13 Länder dabei und wenn nächstes Jahr alle 16 Bundesländer im Bundesfinale vertreten sind, dann sollte die Pilotphase eigentlich abgeschlossen sein.

OT: Letztes Jahr war die Teilnahme auf Schüler von Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung beschränkt. Sie sprachen damals davon, dass noch weitere Förderschulen mit anderen Förderschwerpunkten einbezogen werden sollen. Ist dieses Ziel erreicht und welche Förderschwerpunkte wurden noch aufgenommen? Sind zum Beispiel auch Schulen mit dem Förderschwerpunkt Sehen oder geistige Entwicklung dabei?

Fleischmann: Ja, diese Ausweitung des Teilnehmerkreises gehört auch mit zu unserem Entwurf des Veranstaltungskonzepts, der dann natürlich mit der Schulsportstiftung und den einzelnen Ländern umgesetzt werden muss. Mit der Teilnahme von sehbehinderten und blinden Schülern wird natürlich die Teilnehmerzahl noch größer werden. Mittelfristig planen wir, den Wettbewerb auch Kindern mit geistiger Behinderung anzubieten. Das ist das Angebot von unserer Seite – dem müssen natürlich die Kultusbehörden jeweils noch zustimmen.

OT: Wie haben Sie die Schulen auf den Wettbewerb aufmerksam gemacht? Lief die Bewerbung des Wettbewerbs über die Ministerien?

Fleischmann: Es gab eine bundesweite Ausschreibung in Verbindung mit den Ministerien. Die DBSJ ist Teil einer Arbeitsgruppe auf Bundesebene, in der außer uns noch die Deutsche Schulsportstiftung sowie Vertreter der Kultusministerien arbeiten. Gemeinsam haben wir dort die Ausschreibung zusammengestellt.

Inhomogene Strukturen in den Ländern

OT: Schon im Herbst 2010 starteten die ersten Wettbewerbe für den neuen Jahrgang. Im Juni findet dann das Finale statt, in dem sich die Sieger aus den Landeswettbewerben miteinander messen. Wie ist der Ablauf des gesamten Wettbewerbs über den Jahresablauf hinweg? Wie geht es von der einzelnen Schule aus weiter, bis ein Schüler oder eine Mannschaft im
Finale steht?

Fleischmann: Bedingt durch die Kultushoheit der einzelnen Bundesländer ist der Ablauf selbst in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Es gibt Länder, in denen es gar keine Förderschulen mehr gibt, da die Beschulung der Kinder mit Behinderung schon über integrative Schulen läuft. Auch das hat für uns Pilotcharakter, weil man testen muss, wie man hier Mannschaften zusammenstellen kann. In Bundesländern wie NRW gibt es viele Förderschulen, so dass eine Vorlaufentscheidung stattfindet. Zum Beispiel gab es in Hessen letzten September schon Leichtathletikvorentscheide. Die sechs hessischen Schulen, die teilnehmen wollten, haben untereinander ihren Landessieger ausgekämpft. Das gleiche gibt es im Schwimmen, Tischtennis und im Basketball. Daneben gibt es auch kleine Länder, wo es vielleicht nur zwei Förderschulen überhaupt gibt. Dort macht dann natürlich ein Vorentscheid keinen Sinn. Diesen Ländern hat man die Möglichkeit eingeräumt, teilnehmende Schulen zu nominieren oder eine Mannschaft zu schicken. Auch diese Dinge sind noch in der Pilotphase; wir testen dies noch aus.

OT: Das heißt, Sie haben aufgrund der Kultushoheit der Länder mit einem inhomogenen Schulsystem zu tun und müssen prüfen, wie sich vergleichbare Teams zusammenstellen lassen, damit der Wettbewerb fair bleibt. Benutzen Sie auch ein Klassifizierungssystem?

Fleischmann: Wir haben hier bewusst ein anderes, offeneres und freieres Klassifizierungssystem gewählt als das bei den Paralympics angewandte. Die Paralympics-Klassifizierung ist für den Bundeswettbewerb nicht umsetzbar: Dann müssten schon im Vorhinein alle Sportler gesichtet und klassifiziert werden. So haben wir hier eine vereinfachte Version, die sich in NRW schon lange bewährt hat und die auch von den Lehrern, die die Schüler begleiten, selbst geleistet werden kann. Dann müssen auch nicht spezielle Klassifizierer vom Verband herangezogen werden.

OT: Geht es dabei auch darum, die Hemmschwelle für eine Teilnahme möglichst niedrig zu halten?

Fleischmann: Ja, denn die Organisation einer Teilnahme ist für die Schulen nicht so einfach. Bei JUGEND TRAINIERT FÜR OLYMPIA ist alles viel einfacher. Da fragt der Sportlehrer: „Wer von Euch spielt Handball und will im Team mitmachen?“ Hier wiederum hat man es mit Kindern mit Behinderung zu tun. Dann beginnen in der Schule schon Fahrprobleme oder es stellt sich die Frage: „Wann kann ich mit den Schülern zusätzlich trainieren?“ Diese Kinder sind ja nicht mobil wie andere Kinder, die mal eben mit Bus oder Straßenbahn von der Schule zum Training fahren können. Erst recht zu einem Landes- oder Bundeswettbewerb zu fahren, ist ein Riesenaufwand für diese Schulen.

Die Signale stehen auf Grün

OT: Da braucht man sicher Sponsoren, die die Kosten für Fahrten, Hallenmieten etc. auffangen?

Fleischmann: Die Hallenmieten sind das geringste Problem, die fallen eigentlich erst auf Bundesebene an. Aber für alles andere, insbesondere den Transport, sind Sponsoren eine Grundvoraussetzung. Ohne die Unterstützung der Deutschen Bahn AG hätte es diesen Wettbewerb so nie gegeben. Wenn dieser Hauptsponsor uns nicht seit 2009 die Gelder zur Durchführung des Wettbewerbs zur Verfügung gestellt hätte, wären wir als kleiner Verband gar nicht in der Lage gewesen, irgendetwas zu organisieren.

OT: Wird die Deutsche Bahn ihr Engagement für „Jugend trainiert für Paralympics“ aufrecht erhalten?

Fleischmann: Das hoffen wir natürlich sehr, auch dass sie das Engagement noch ausweitet. Wir bekommen von der Bahn ein sehr positives Feedback und beide Parteien können bei dem Prozess viel lernen. Ich spreche hier ganz besonders das Transportproblem an – auch da spielt die Pilotphase eine Rolle. Es ist ja nicht so einfach, Kinder mit Rollstühlen zu transportieren. So reist zum Beispiel eine Rollstuhlbasketballmannschaft pro Person mit zwei Rollstühlen an: einem Alltags- und einem Sportrollstuhl. Das passt ja schon nicht in einen normalen Reisebus – man hat also doppelt große Transportprobleme. Auch in Zügen gibt es nur bestimmte Kapazitäten für Rollstuhlfahrer. Da kann man niemandem einen Vorwurf draus machen, aber es ist auch eine spannende Aufgabe, hieraus zu lernen für die Zukunft und gemeinsam herauszufinden, wie man künftig Menschen mit Behinderung bessere und einfachere Transportmöglichkeiten bereitstellen kann. Hier arbeiten wir sehr eng mit der Deutschen Bahn AG zusammen und das ist eine sehr angenehme Kooperation. Die Signale der Bahn stehen auf Grün und so denke ich, dass sie auch weitermachen wollen. Für uns wäre das auf jeden Fall sehr wichtig, weil so der Fortbestand und die Weiterentwicklung des Wettbewerbs gesichert sind.

OT: Ist die Deutsche Bahn AG der einzige Sponsor oder gibt es auch öffentliche Zuschüsse?

Fleischmann: Die Deutsche Bahn AG trägt den größten Teil des Sponsorings. Außerdem gibt es eine Förderung des Bundesministeriums des Inneren, die dieses Jahr neu hinzugekommen ist, sowie Zuschüsse der Schulsportstiftung. Einen großen Spender haben wir zudem in der Sparda Bank.

OT: Letztes Jahr haben sich die Schüler in vier Disziplinen gemessen: Leichtathletik, Schwimmen, Tischtennis und Rollstuhlbasketball. Bleibt es bei diesen für die Nachwuchsförderung wichtigen Kerndisziplinen oder wird der Kanon noch erweitert?

Fleischmann: Bei diesen vier Hauptdisziplinen bleibt es auch in diesem Jahr. Wir planen ja, den Wettbewerb auch für Sehbehinderte und Blinde zu öffnen – dies gilt für die Sportarten Schwimmen und Leichtathletik, bei denen das möglich ist. Außerdem könnte für Blinde noch Goalball als Mannschaftssportart hinzukommen. Dieses Jahr findet das Finale ja erstmalig im Bundesleistungszentrum Kienbaum statt, einer der besten Sportstätten für Spitzensportler und Olympioniken. An dieser großen Sportstätte werden wir sehen, wie wir den Wettbewerb noch erweitern können. Dort werden wir dieses Jahr noch entscheidende Erfahrungen machen können, die uns bei der Umsetzung helfen werden.

OT: An den Sportstätten in Kamen-Kaiserau wurde vereinzelt bemängelt, dass die Schwimmhalle nicht barrierefrei ist. Sportschwimmerin Tanja Gröpper, die im Rollstuhl sitzt, bedauerte im Gespräch mit der OT Sport, dass sie nicht mit den Kindern und Jugendlichen zusammen schwimmen konnte. Nun geht es dieses Jahr zum Finale ins Bundesleistungszentrum Kienbaum. Welche Bedingungen warten hier auf die Sportler – auch in Punkto Barrierefreiheit?

Fleischmann: Hier erwarten uns natürlich sehr gute Bedingungen. Aber dass ein Hallenbad umfassend Behinderten gerecht ist, das findet sich auf Landesebene eigentlich selten in Perfektion. Auch in Kamen war es eigentlich mit Hilfe der Lehrer und Helfer kein Problem, alle Kinder ins Schwimmbecken zu bekommen. Es war nicht ideal, aber wenn alle wollen und ein Ziel haben, gibt es immer eine Möglichkeit. Aber das Ganze ist natürlich auch ein Lernprozess: Wie muss eine Schwimmhalle mit barrierefreien Zugängen ausgestaltet sein? Ein Grund, weshalb wir aus NRW weggehen mussten, war die Kapazität der Unterkunft. In Kienbaum werden wir locker über 300 Kinder aufnehmen können.

Top-Sportler beim Finale

OT: Künftig soll „Jugend trainiert für Paralympics“ unter dem Motto „Miteinander“ gemeinsam mit „Jugend trainiert für Olympia“ veranstaltet werden. Für welchen Zeitpunkt ist die Umsetzung dieses Inklusionsgedankens angestrebt?

Fleischmann: Die Umsetzung dieser Idee hatten wir für den diesjährigen Wettbewerb schon diskutiert, aber auch hier stellte sich unter anderem das Transportproblem. Wir hatten überlegt, mit JUGEND TRAINIERT FÜR OLYMPIA den gemeinsamen Abschlusstag des Finales durchzuführen. Das ist aber ungeheuer schwierig zu organisieren, denn da würden am gleichen Tag in Berlin Tausende Schüler von JUGEND TRAINIERT FÜR OLYMPIA an- oder abreisen und wir mit unseren Schülern dazukommen. Das dürfte dann in den Bahnen noch enger werden und ist so im Moment nicht zu realisieren. Wir müssen ja auch auf die Bedürfnisse unserer Kinder und Jugendlicher Rücksicht nehmen. Zudem soll ja der Sport im Vordergrund stehen. Wir suchen momentan nach Möglichkeiten, wie wir künftig eine gemeinsame Abschlussveranstaltung machen können, so dass sich die beiden Wettbewerbe teilweise überschneiden könnten. Der Plan bleibt bestehen und wir versuchen, ihn in der Zukunft umzusetzen. Für den Moment haben wir aber entschieden, dass wir erstmal unter uns bleiben und voneinander lernen. Aber der Weg der Inklusion soll gegangen werden – das ist ganz klar.

OT: Neben dem Stolz, es bis ins Bundesfinale geschafft zu haben, war es für die Nachwuchssportler letztes Jahr in Kamen auch inspirierend, erfolgreiche Vorbilder wie den Tischtennisspieler Rainer Schmidt oder Spieler der deutschen Handball-Nationalmannschaft live sehen und mit ihnen trainieren zu können. Dies wird 2011 sicher wiederholt werden. Welche Spitzensportler sind in Grünheide zu erleben? Verraten Sie uns ein paar Namen?

Fleischmann: Wir haben natürlich aus unseren eigenen Reihen Top-Leute, die da mitmachen. In Grünheide wird Marianne Buggenhagen dabei sein, eine der erfolgreichsten Paralympionikinnen überhaupt. Außerdem kommt der Handbiker Dr. Reiner Pilz. Zudem sind die Leichtathleten Matthias Schröder und Thomas Ulbricht vom PSC Berlin dabei, mit denen wir ein paar Sportler aus der Region haben. Die Deutsche Bahn AG arbeitet daran, über ihre Kontakte noch einen Top-Sportler aus dem nicht behinderten Bereich kommen zu lassen. Dass wir letztes Jahr Sportler der Deutschen Handball-Nationalmannschaft mit im Boot hatten, war reiner Zufall. Als ich anreiste, hab ich Heiner Brand (Red. Trainer der deutschen Handballnationalmannschaft) gesehen und ihn sofort angesprochen, ob er nicht abends Zeit hat. Das war eine große Überraschung, als er spontan zugesagt hat.

OT: Welche Hoffnungen hegen Sie für die Zukunft des Projekts?

Fleischmann: Unsere größte Hoffnung ist, dass wir 2012 alle 16 Bundesländer zusammenbekommen, dass aus allen Ländern möglichst auch ein Team kommt und dass es allen Ländern gelingt, Teams in allen vier Sportarten an den Start zu bringen. Natürlich wollen wir auch spannende Wettkämpfe sehen und als Verband das ein oder andere neue Talent begutachten. Noch mehr würde ich mir aber für die Kinder und Jugendlichen wünschen, dass sie nach Hause gehen und sich sagen: „Mensch, ich kann jetzt was, was andere nicht können! Und nun will ich mich im Sport noch mehr engagieren als bisher.“ Das ist doch das Ziel eines jeden, der mal Leistungssport betrieben hat – nach Hause zu fahren und zu sagen: „Das hab ich eingefahren!“ Diese Freude der Kinder und Jugendlichen am Sport ist das Wichtigste. Ich wünsche mir, dass alle Teilnehmer davon zuhause so schwärmen, dass anderen Mitschülern das Wasser im Mund zusammenläuft und sie sagen: „Da möchte ich im nächsten Jahr auch dabeisein!“ Dann haben auch die Schulen intern davon einen Gewinn.

Die Fragen stellte Susanne Welsch.