Mission Tokyo 2020 - 4. Vorstellung

Mission Tokyo 2020 4. Vorstellung © Andreas Joneck / DBS

Bereits im November 2019 startete die "Mission Tokyo 2020" für die Teilnehmer*innen des Paralympischen Jugendlagers. Das erste Vortreffen in Köln wurde zum gegenseitigen Kennenlernen genutzt. Hier wurden auch die weitere Qualifikationsphasen der "Mission Tokyo 2020" besprochen. Neben dem Besuch eines themenspezifischen Workshop-Wochenendes zählte auch die Erstellung eines Referats/einer schriftlichen Ausarbeitung im Themenfeld "Inklusion/Behindertensport/Paralympics" zum Inhalt der "Mission Tokyo 2020". Aufgrund der Verlegung des PJL um ein Jahr, wurde die "Mission Tokyo 2020" erweitert und die Delegation befindet sich seit November 2020 auf der "Virtual_Mission Tokyo 2020". Bei regelmäßigen virtuellen Treffen sind Personen aus dem Umfeld des Team Deutschland Paralympics sowie weitere besondere Persönlichkeiten, zu Gast.

Wir freuen uns sehr darüber, wöchentlich Referate/schriftliche Ausarbeitungen der Teilnehmer*innen des PJLs präsentieren zu können. Heute mit dem Referat von Max mit dem Titel "Rollstuhlbasketball ist idealer Inklusions-Sport".

Rollstuhlbasketball ist idealer Inklusions-Sport – Ein Referat von Max Forstner

Ich spiele seit fast 10 Jahren Rollstuhlbasketball beim USC München. Für mich ist Rollstuhlbasketball ein schneller, dynamischer Teamsport, der alles kombiniert: Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Team Spirit. Heute möchte ich mich aber auf den Aspekt Inklusion konzentrieren. Denn Rollstuhlbasketball ist der internationale Inklusions-Vorzeigesport überhaupt. Inklusion – für Euch nochmal zusammengefasst – bedeutet, dass kein Mensch ausgeschlossen, ausgegrenzt oder an den Rand gedrängt werden darf. Inklusion ist ein Menschenrecht, aber auch ein wichtiges Prinzip, ohne dessen Anwendung die Durchsetzung der Menschenrechte unvollständig bleibt. D.h. Inklusion muss gelebt werden. Und Rollstuhlbasketball ist im Sport dafür ein besonders gutes Beispiel.

Rollstuhlbasketball hat seinen Ursprung in den USA, wo es Ende des Zweiten Weltkriegs von Kriegsveteranen erfunden wurde. Seit der Paralympics Premiere 1960 ist Rollstuhlbasketball fester Bestandteil des paralympischen Wettkampf-Programm und gehört heute zu den erfolgreichsten - paralympischen Sportarten. Rollstuhlbasketball unterscheidet sich übrigens nur gering vom normalen Basketball. Korbhöhe, Spielzeit und Spielfeld sind identisch. Gespielt wird also 4x 10 Minuten auf einen in 3,05m Höhe hängenden Korb. Der Korb hängt also nicht niedriger, wir werfen höher ;-) Der größte Unterschied ist das „Sportgerät“ - der Rollstuhl. Rollstuhlbasketball ist voller Action. Oft geht es ordentlich zur Sache. Kollisionen gehören dazu, die Rammbügel krachen aneinander. Regelmäßig kippen Spieler aus dem Rollstuhl, nach einem Liegestütz fahren sie schon wieder weiter. Das macht den Sport wahrscheinlich so aufregend und beliebt zum Zuschauen.

Aber was macht ihn so inklusiv?

Beim Rollstuhlbasketball spielen Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt in einer Mannschaft. Im Rollstuhl begegnen sich Rollstuhlfahrer und „Fußgänger“ (wie wir die Nicht- Behinderten nennen) auf Augenhöhe. Ein Klassifizierungssystem stellt Chancengleichheit und Fairness sicher, indem ein Ausgleich zwischen Sportlern mit verschieden starker Behinderung oder ohne Behinderung hergestellt wird. Die Klassifizierung unterscheidet zwischen acht Stufen. Die niedrigste Punktzahl 1,0 bekommen Sportler mit der höchsten Bewegungseinschränkung, zum Beispiel mit höherer Rückenlehne und im Rollstuhl fest angeschnallt. Sportler mit geringen Einschränkungen oder „Fußgänger“ bekommen die höchste Punktzahl 4,5. Für die Klassifizierung der Spieler ist eine Kommission zuständig. Sie bewerten den Spieler und ordnen ihm anhand seiner funktionellen Möglichkeiten den Punktewert zu. Die Basis ist also keine medizinische Diagnose, sondern die Bewertung der Rumpfbewegung und Sitzstabilität während des Spiels. Die fünf Spieler auf dem Spielfeld dürfen zusammen maximal 14,5 Punkte bei Vereinen bzw. 14 Punkte auf Nationalmannschaft-Niveau ergeben. Bei gemischten Mannschaften erhalten Frauen einen Punktabzug, der zwischen 1,5 und 1liegt.

Im Breiten- und Freizeitsport ist Rollstuhlbasketball nicht nur Garant für Bewegung von Behinderten. Sie erleben ein Gefühl von Gemeinschaft, der Verein wird zum sozialen Treffpunkt oder sogar zur „Familie“, sie tanken Lebensfreude und -kraft. Und immer ohne sich dabei behindert zu fühlen. Denn Inklusion wird in diesem Sport auch abseits des Spielfelds gelebt. Und zwar umgekehrt. Hier werden Nicht-Behinderte eingegliedert.

Im Spitzensport ist das nicht ganz so. Das Paralympische Komitee möchte, dass keine nichtbehinderten Sportler an den Paralympics teilnehmen. Im Januar eskalierte dazu ein Streit zwischen dem IPC und dem Weltverband. Das IPC drohte mit dem Ausschluss des kompletten Rollstuhlbasketballsports in Tokio, wenn die Klassifizierung nicht bis Ende Mai verschärft wird. Der Weltverband hat daraufhin 4,0 und 4,5-Punkte-Spieler neu bewertet und dadurch wurden mehrere Spieler gesperrt. Diese Klassifizierung des IPC und das Ausgrenzen einzelner Spieler wie George Bates, der jetzt nicht mehr „behindert genug“ ist (und jetzt über eine Amputation nachdenkt, um teilnehmen zu können), macht den Vorzeige-Inklusionssport auf paralympischer Ebene leider weniger inklusiv.

Rollstuhlbasketball versteht sich schon immer als inklusive Sportart, die Menschen mit wenig und mit erheblichen Einschränkungen oder auch ganz ohne Behinderung zusammenbringt. Genau deswegen hat Rollstuhlbasketball so eine hohe Akzeptanz. Bis in den Schulsport oder projektbezogen in Schulen hinein. Genau der inklusive Ansatz macht den Sport aus. Würden nur schwer Behinderte den Sport ausüben, wäre er längst nicht so attraktiv und rasant.

Inklusion ist bei diesem Sport Voraussetzung für den Erfolg der Sportart. Und die Sportart damit das beste Lehrbeispiel für gelebte Inklusion.

Quelle: https://www.yumpu.com/de/document/read/26101653/rollstuhlbasketball-eurobasketball-2013/3

Autor: Max Forstner