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Lernen und überraschen: Mira Jeanne Maack auf gutem Weg zum Paralympics-Debüt

Die jüngste Para Schwimmerin im deutschen Team will sich in Tokio ihren Lebenstraum erfüllen – Nach Silber und Bronze bei der EM soll ihre starke Entwicklung bei den IDM in Berlin fortgesetzt werden

Mira Jeanne Maack beim Brustschwimmen
Mira Jeanne Maack © Ralf Kuckuck / DBS

Mit Silber und Bronze ließ Mira Jeanne Maack bei den Europameisterschaften im Para Schwimmen im Mai aufhorchen – und unterstrich damit ihre hervorragende Entwicklung als jüngste Athletin der deutschen Nationalmannschaft. Auch ein deutscher Rekord gelang ihr. Der Lohn dafür könnte ihre erste Paralympics-Teilnahme in Tokio sein. Doch zunächst stehen die Internationalen Deutschen Meisterschaften im Para Schwimmen in Berlin (17. bis 20. Juni) auf dem Programm.

„Ich setze mir keine bestimmten Ziele. Ich schwimme einfach immer so gut es geht und schaue dann, was daraus wird“, sagte Mira Jeanne Maack vor ihrer ersten Para Schwimm-EM im Mai. Sich bestimmte Zeiten oder Plätze vorzunehmen, setze die 17 Jahre alte Berlinerin zu sehr unter Druck. Maacks lockere, aber dennoch ehrgeizige Herangehensweise zahlte sich direkt am ersten Wettkampftag von Madeira aus: In der Startklasse S8 sicherte sich die Athletin vom Berliner Schwimmteam über 400 Meter Freistil, ihrer Lieblingsstrecke, Bronze.

Dadurch, dass sich die Schwimmerin keine konkreten Ziele setzt, kommt es oft vor, dass sie sich selbst und andere überrascht – wie über die 100 Meter Brust: Im Vorlauf schwamm Maack in 1:50,16 Minuten zum deutschen Rekord in der Startklasse SB7. Im Finale legte die 17-Jährige, die Deutschlands jüngstes Teammitglied bei den Europameisterschaften war, abermals eine gehörige Schippe drauf und schwamm knapp zehn (!) Sekunden schneller als im Vorlauf. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich im Finale nochmal so viel schneller schwimmen könnte“, sagte Maack kurz nach dem Rennen über ihre 1:40,29 Minuten, die ihr zweites Edelmetall auf Madeira bedeuteten. Die Silbermedaille fühlte sich „unglaublich“ an.

Die EM-Medaillen als Bestätigung für das „harte Training, wofür ich viel Freizeit opfere“

„Die Medaillen bedeuten mir sehr viel. Sie sind eine Bestätigung für das viele und auch harte Training, wofür ich viel Freizeit opfere.“ Nach der WM 2019 waren die Europameisterschaften der zweite große internationale Wettbewerb der Zehntklässlerin vom Schul- und Leistungssportzentrum Berlin. „Sie konnte ihre Leistung ein weiteres Mal steigern und ihren Trend fortsetzen“, sagt Bundestrainerin Ute Schinkitz über Maacks Entwicklung zwischen den Wettkämpfen in London und Madeira. Neben ihren beiden Medaillen erreichte die Berlinerin, die beidseitig Klumpfüße, eine Arthrogryposis (angeborene Gelenksteife) und eine Hüftdysplasie hat, vier weitere Finals: über 100 Meter Rücken, 50 und 100 Meter Freistil sowie 200 Meter Lagen. „Das untermauert ihre Vielseitigkeit“, freut sich Schinkitz, denn: „Für junge Athletinnen und Athleten ist es immer besser, wenn man breit aufgestellt ist.“

Mira Jeanne Maack hat gute Chancen, im August zu den Paralympics nach Tokio zu reisen und ihre paralympische Premiere zu erleben. Sie würde wie bei der WM 2019 und der EM in diesem Jahr die jüngste Schwimmerin im deutschen Team sein. Für die 17 Jahre alte Schülerin wäre es ein „Lebenstraum. Ich hätte nie gedacht, dass ich so weit komme.“ Maack, zu deren Hobbys das Lesen von Fantasy-Büchern und Skifahren zählt, freut es besonders, dass sich das viele Training ausgezahlt hat. Die Bundestrainerin bezeichnet Maack als „sehr, sehr fleißig, konzentriert“ und auch selbstreflektierend – Eigenschaften, auf die es bei den möglichen ersten Paralympics vor allem ankommen würde: Die Spiele in Tokio könnten für die junge Berlinerin ein „Lernen in Richtung Paris“ werden, wie Schinkitz sagt. Sie bescheinigt der Berlinerin großes Potential. „Ich traue Mira zu, dass sie sich in den nächsten Jahren an die Spitze herantastet und versucht, diese mitzubestimmen.“ Medaillen bei den Paralympics in Paris 2024 könnten durchaus realistisch sein. Bis dahin stehe unter anderem auch Technik-Arbeit für die Berlinerin an. „Das muss sich alles festigen“, sagt die Bundestrainerin.

Portrait von Mira Jeanne Maack
Mira Jeanne Maack © Ralf Kuckuck / DBS

Mit ihrem Vorbild, der 13-fachen Paralympics-Siegerin Jessica Long, kreuzten sich die Wege bereits

2024 wird Maack auch mit der Schule fertig sein und ihr Abitur in der Tasche haben. Die Schwimmerin peilt ein Medizinstudium an. „Sport und Medizin unter einen Hut zu bekommen, wird ziemlich hart, weil man dann in jeder freien Minute lernen müsste“, sagt Maack, die es aber dennoch versuchen will. Am liebsten würde sie in Berlin studieren, um nah bei den Freunden und der Familie bleiben zu können. Bei einem Studium in ihrer Heimatstadt ließe sich auch das Training am Bundesstützpunkt Para Schwimmen fortsetzen, wo die Bedingungen sehr gut für sie sind.

Doch erst einmal gilt Maacks Fokus den möglichen Paralympics in Tokio. „Ich wäre das erste Mal dabei und möchte viele Erfahrungen sammeln, das Beste daraus machen“, sagt die 17-Jährige, deren großes Vorbild die US-amerikanische Para Schwimmerin Jessica Long ist. Bereits im Alter von nur zwölf Jahren nahm Long an den Paralympics von Athen 2004 teil und sicherte sich dort drei ihrer insgesamt 13 Goldmedaillen bei vier verschiedenen Paralympics. Neben den sportlichen Erfolgen Longs findet Maack es „bewundernswert, wie selbstbewusst sie mit ihrer Behinderung umgeht und diese auf Instagram zeigt.“ Die Berlinerin kennt die US-Amerikanerin, der als Einjährige beide Unterschenkel amputiert wurden, allerdings nicht nur aus Social Media: Maack schwimmt wie Long in den Startklassen S8/SB7/SM8. Bei den Weltmeisterschaften 2019 begegneten sich die beiden unter anderem bei den Finals über 100 Meter Rücken: Maack wurde Sechste, Long Vierte. Über 400 Meter Freistil wurde die Berlinerin Siebte, die Schwimmerin aus Baltimore sicherte sich Bronze.

Dafür, dass sich Maacks und die Wege ihres Idols auch in den Finalläufen von Tokio kreuzen könnten, sieht die Bundestrainerin eine realistische Chance, auch wenn Prognosen aufgrund der vielen Klassifizierungen und der sich dadurch ergebenden Verschiebungen schwerfallen. Zudem steht auch die Nominierung Maacks noch aus. Zwischen dem 17. und 20. Juni werden in Berlin die 35. Internationalen Deutschen Meisterschaften stattfinden – der letzte große Wettkampf vor den Paralympics. Eine weitere Möglichkeit für Mira Jeanne Maack, um zu lernen und zu überzeugen – und womöglich wieder zu überraschen.

Quelle: Patrick Dirrigl