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Thomas Schmidberger: Blitzschnell und blitzgescheit

Tischtennisspieler Thomas Schmidberger
Thomas Schmidberger @ picture alliance

Seit drei Stunden sitzt er im Auto, weitere drei hat er noch vor sich, bis er in Viechtach ist. Thomas Schmidberger ist auf dem Weg nach Hause. Und hat Zeit für ein Gespräch. Er ist die Nummer zwei der Weltrangliste im Tischtennis der Wettkampfklasse 3, nur ganz knapp hinter dem Chinesen Panfeng Feng. Die Nummer drei folgt erst mit mehr als 100 Punkten Abstand. Sein nächstes Ziel: eine Medaille bei den Paralympischen Spielen vom 7. bis 18. September in Rio de Janeiro.

Thomas, genannt Tom, kommt von einem zehntägigen Training bei seiner Bundesliga-Mannschaft Borussia Düsseldorf. Er ist 24 Jahre jung und Profi, die Nummer eins im Team. In seinem Studium der Sportökonomie an der Universität Bayreuth hat er gerade ein Urlaubssemester eingelegt: „Ich will mich ganz auf die Paralympics konzentrieren.“ 2012 in London hat er schon eine Bronzemedaille (Einzel) und Silber (Team) gewonnen. Aber der erfolgreiche Profi hat auch all den jungen Spielerinnen und Spielern die Daumen gedrückt, die beim Frühjahrsfinale im Rahmen des Bundeswettbewerbs JUGEND TRAINIERT FÜR PARALYMPICS (JTFP) ihr Können unter Beweis gestellt haben.

Über 3200 Teilnehmerinnen, Teilnehmer, Betreuerinnen und Betreuer sind mit den Zügen der Deutschen Bahn angereist um in den Sportarten Basketball, Rollstuhlbasketball, Badminton, Tischtennis, Goalball, Handball, Volleyball und Gerätturnen um den Bundessieg bei JUGEND TRAINIERT FÜR OLYMPIA und PARALYMPICS zu wetteifern. „Ohne Jugendarbeit, Schulsport und ohne Sportförderung stünden wir im internationalen Vergleich sicher nicht so gut da“, sagt er. Das Engagement des Hauptsponsors von JTFP, der Deutschen Bahn (DB), ist für die Förderung der jungen Athleten besonders wertvoll. Das sieht auch Tom so: „Es ist schön, wenn es für so tolle Projekte wie JTFP authentische Förderer gibt, die sich auch über das Event hinaus engagieren. Denn die Angebote der Bahn für mobilitätseingeschränkte Personen sind wirklich Gold wert. Ich glaube, dass sie vielen Jugendlichen, die auf diese Unterstützung angewiesen sind, ein Stück Freiheit geben.“

Eine Veranstaltung wie das Frühjahrsfinale Ende April in Berlin hätte Tom auch gern erlebt – doch die gab es zu seiner Jugendzeit noch nicht. Vielleicht könne er den beteiligten Schülern aus ganz Deutschland als Vorbild dienen, sagt Tom. „Vergleichswettkämpfe auf Bundesebene sind ganz wichtig“, sagt er, „so etwas schult für die Karriere.“ Tom weiß es aus eigener Erfahrung: „Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) hilft auch organisatorisch, bei der Schule etwa, den Reisen, der Ausrüstung, aber ebenso beim Training, physisch wie mental - man kann gar nicht alles aufzählen.“

Jeder hat seine Geschichte, und die eines behinderten Sportlers ist immer eine ganz besondere. Mit viereinhalb Jahren hatte Tom einen Unfall und ist seither querschnittgelähmt. Was ihn das Leben dennoch weiter lebenswert erscheinen ließ, gerade als er älter wurde, waren seine Familie, seine Freunde - und eben der Sport.

Vier bis sechs Stunden Training am Tag: "Du musst ein Ziel haben!"
Tischtennisspieler Thomas Schmidberger
Thomas Schmidberger @ picture alliance

So einfach, wie er das erzählt, war es sicher nicht. Aber das ist sein Sport auch nicht. „Ich trainiere vier bis sechs Stunden täglich, manchmal auch acht. Du musst völlig fit sein, körperlich wie mental. Deine Reaktionsfähigkeit ist diesem Sport ist eminent wichtig. Und du musst ein Ziel haben.“ Für die ersten beiden Voraussetzungen sorgen Trainer, Sportpsychologen („Sie kitzeln auch noch die letzten drei Prozent aus dir heraus!“) und die Gene. Den Rest muss jeder mit sich selbst ausmachen. Tom: „Wer nicht ultrahart arbeiten will, Fleiß und Konzentration nicht ausschließlich auf seinen Sport richtet, kann es gleich bleiben lassen.“

Wer erfolgreich sein will, muss Opfer bringen. Tom war im Sport-Internat, 2011 hat er sein Abitur gemacht, danach sein Studium begonnen. Seine sportliche Karriere sieht er als Vorbereitung und Parallele für seine berufliche Laufbahn. „Du lernst neue Freunde kennen, im Internat beispielsweise, und dann, eines Tages, findest du sie auf der anderen Seite der Platte beim Wettkampf wieder. Dann gilt es, alles, was du im Training gelernt hast, auch abzurufen. Solche Situationen durchlebst du doch ständig im Leben.“

Und wie so oft, steckt die größte Hürde für den Erfolg im Kopf. Wie großartige Schauspieler auch mit langer Bühnenerfahrung immer noch Lampenfieber haben, sind viele Sportler wie blockiert, wenn es ernst wird. Tom freut sich, dass er nicht darunter leidet. „Im Gegenteil: Ich lege im Wettkampf oft noch ein paar Prozent drauf!“ Selbst als er vor vier Jahren in London bei den Paralympics eine Woche fürchterlich krank war und mit über 40 Grad Fieber im Bett lag, wollte er unbedingt starten. Es hat sich gelohnt, er hat das Match gewonnen. Was ist das Geheimnis solch mentaler Stärke? „Zunächst musst du den Willen zum Erfolg haben, einen gesunden Ehrgeiz. Aber ganz wichtig - zumindest für mich - sind diese kleinen Ticks und Rituale vor und während des Spiels. Die gehören nur dir, und sie machen dich stark. Vor allem aber: Es muss Spaß machen!“  

Hat er nie gedacht aufzuhören? „Doch. Das war die Zeit so zwischen zwölf und sechzehn Jahren. Immer wieder mal kamen mir solche Gedanken, aber ich habe durchgehalten.“ Heute geht es dem Studenten bestens. Er ist der einzige Tischtennisspieler im Rollstuhl in Deutschland, der ein Gehalt von seinem Verein bezieht und profitiert auch von seinen Sponsoren. Förderer sind wichtig, aber nicht leicht zu bekommen. Glücklicherweise gibt es die Förderer des Top Teams, den DBS und auch das Land Nordrhein-Westfalen hilft. Und abgesehen vom Sport könnte es Tom gar nicht besser gehen: Vor kurzer Zeit ist er mit seiner Freundin zusammen gezogen.

Aber wer an Nummer zwei der Weltrangliste steht und auch für die Paralympics als zwei gesetzt ist, sollte wissen, worauf er sich einlässt: „Manchmal sehe ich Familie und Freundin nur drei Tage im Monat, das ist schon hart.“ Würde er also diesen Weg noch einmal einschlagen? Die Antwort kommt prompt: „Auf jeden Fall! Weltweit in deiner Disziplin unter den besten vierundzwanzig zu sein, das erfüllt mich schon. So viele haben sich nämlich für die Paralympics überhaupt nur qualifiziert. Und wenn ich dann wieder eine Medaille erkämpfen kann, wäre ich überglücklich.“

Apropos glücklich: Was war denn - neben sieben deutschen Meistertiteln, 13 ersten Plätzen im Einzel bei den Weltranglistenturnieren und den beiden paralympischen Medaillen - der schönste Moment in Toms sportlicher Karriere? „Ich durfte bei der Schlussfeier die deutsche Fahne bei den Paralympics in London 2012 tragen!“