Prävention von sexualisierter Gewalt

Warum kann es im organisierten Sport zu sexualisierter Gewalt kommen?

Sportvereine und -verbände sind auf bürgerschaftliches Engagement angewiesen. Daher sind sie Teil der Gesellschaft und können somit von gesamtgesellschaftlichen Problemen betroffen sein, auch von sexualisierter Gewalt. Die im Sport auftretende Körperlichkeit und die entstehende Nähe und Bindung können missbraucht werden und bergen dann das Risiko sexualisierter Gewalt.
Besonderheiten im Sport sind u.a.:

  • Körperzentriertheit der sportlichen Aktivitäten
  • Notwendigkeit von Körperkontakt
  • Spezifische Sportkleidung
  • „Umziehsituationen“
  • Rahmenbedingungen wie Fahrten zu Wettkämpfen mit Übernachtungen etc.
  • Abgeschirmte Situationen bei denen die Handlung einfach geleugnet oder die „Schuld“ dem Opfer zugewiesen werden kann
  • Rituale wie Umarmungen z. B. bei Siegerehrungen

Warum ist es Aufgabe des organisierten Sports, konkrete Präventionsmaßnahmen zu verankern?

Der organisierte Sport trägt eine hohe Verantwortung für das Wohlergehen aller Engagierten und Aktiven. Er wird getragen vom Fair-Play-Gedanken, wobei der respektvolle Umgang miteinander an erster Stelle steht. Dazu gehört auch die Motivation zum Schutz von Menschen mit und ohne Behinderung beizutragen und jegliche Gewalt zu vermeiden. Dabei können Sportvereine und -verbände passende Präventionsmaßnahmen verankern. Sie können sich darauf vorbereiten, auf Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt angemessen und kompetent zu reagieren. Dabei sind Sportvereine und -verbände auch auf die fachliche Unterstützung von Trägern der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Fachberatungsstellen vor Ort angewiesen.
Vereine und Verbände sind dabei in der Pflicht, sich um Aufklärung und Qualifizierung in diesem Bereich einzusetzen und für Transparenz zu sorgen. Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter/innen müssen Präventionsmaßnahmen eingesetzt werden, um eine Kultur der Aufmerksamkeit zu fördern. Damit zeigen die im Sport beteiligten Personen, dass ihnen das Wohlbefinden der Schutzbefohlenen sehr wichtig ist (vgl. DSJ, 2015).
Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) und die Deutsche Behindertensportjugend (DBSJ) haben gemeinsam ein Positionspapier zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt und Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im Sport erarbeitet. Dies wurde vom Hauptvorstand am 01. September 2012 in London beschlossen. Es beinhaltet Präventions- und Schutzmaßnahmen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit und ohne Behinderung, die gemeinsam mit den Landes- und Fachverbänden umgesetzt werden sollen. Das Positionspapier und die darin benannten Maßnahmen sollen dazu beitragen, eine Kultur der Aufmerksamkeit und des Handelns zu entwickeln. Betroffene sollen zum Reden ermutigt, potentielle Täter/innen abgeschreckt und ein Klima geschaffen werden, das Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit und ohne Behinderung im Sport vor sexualisierter Gewalt schützt. Dabei orientiert sich der DBS mit seinen Landes- und Fachverbände bei der Präventionsarbeit insbesondere an folgenden Grundsätzen:

  • Der DBS strebt in seinen Verbands- und Vereinsstrukturen die Schaffung eines geschützten Raumes an, in dem Menschen mit Behinderung durch Bewegung, Spiel und Sport ihre persönlichen und sozialen Kompetenzen fördern können und der Schutz der (sexuellen) Integrität von allen gewahrt wird.
  • Der DBS toleriert im Umgang mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit oder mit drohender Behinderung sowie chronischer Erkrankung keine Gewalt und Diskriminierung in jeder Form von Seiten der Trainer/innen, Übungsleiter/innen, Vereinsverantwortlichen oder anderer Personen im Umfeld der Verbände und Vereine. Dies schließt die Gewalt unter Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ausdrücklich mit ein.
  • Der DBS wird Maßnahmen zur Vermeidung und Aufklärung von Vorfällen entwickeln, unter anderem auch der Ausbau von Angeboten zur Stärkung der Selbstbehauptungskompetenzen und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderung sowie insbesondere Menschen mit geistiger Behinderung.

Wieso wird der Begriff „sexualisierte Gewalt“ genutzt?

Der Begriff „sexualisierte Gewalt“ geht über den in der Öffentlichkeit oft genutzten Begriff des „sexuellen Missbrauchs“ hinaus. Der Begriff „sexualisierte Gewalt“ betont die tatsächliche Gewalttätigkeit eines sexuellen Übergriffs und steht für verschiedene Formen der Machtausübung mit dem Mittel der Sexualität.
Gemeint sind damit sowohl erzwungene sexuelle Handlungen, die nach dem 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches definiert sind als auch sexualisierte Übergriffe durch Worte, Bilder, Gesten und sonstige Handlungen mit und ohne direkten Körperkontakt. Einige Handlungen sind zwar nicht immer strafrechtlich relevant aber ebenso verletzend für die Betroffenen. Darüber hinaus können sie vorbereitende Handlungen oder Testhandlungen zu schwereren Übergriffen von Täter/innen sein.

Erscheinungsformen sexualisierter Gewalt im Sport können sein:

  • Verbale und gestische Übergriffe, z. B. in Form von distanzlosen, anzüglichen Bemerkungen, Gesten und Blicken
  • Grenzverletzung bei Kontrolle der Sportkleidung
  • Übergriffe exhibitionistischer Art, angefangen mit dem Tragen von unpassender, provozierender Sportbekleidung, die unerwünschte Einblicke gewährt
  • Fotografieren von Sportler/innen mit körperlicher Behinderung zur eigenen Befriedigung sexueller Bedürfnisse
  • scheinbar unabsichtliche körperliche Berührungen/Übergriffe bei der Hilfestellung
  • Verletzungen der Intimsphäre durch Eindringen in Umkleiden und Duschen
  • gezielte körperliche Berührungen zur eigenen sexuellen Erregung, d. h. direkte Formen sexualisierter Gewalt bis hin zu Vergewaltigung

Wie hoch ist das Risiko, dass es zu sexualisierte Gewalt im Sport kommen kann?

Studien, die eine solide Aussage über das Ausmaß sexualisierter Gewalt in Deutschland erlauben, gibt es bisher nicht. Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr viel höher als die vorliegenden Daten.
Eine Metastudie der Weltgesundheitsorganisation geht von einer Million Betroffenen in Deutschland aus. Vorsichtige Schätzungen allein zu schwerem sexuellem Missbrauch wie etwa Vergewaltigungen gehen von über 200.000 Betroffenen aus (vgl. Die Welt, 2016).
In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird von jährlich mehr als 14.000 Kindern in Deutschland berichtet, die Opfer von sexuellem Missbrauch werden. Drei Viertel der Opfer sind weiblich. Solche Statistiken erfassen allerdings nur die angezeigten Fälle (Hellfeld). Nationale und internationale Dunkelfeldstudien (Befragungen, die die stattgefundenen, aber nicht angezeigten Delikte erfassen) berichten, dass 15-30 % aller Mädchen und 5-15 % der Jungen in ihrer Kindheit Opfer von sexuellem Missbrauch werden. Mädchen sind demnach bis zu dreimal häufiger betroffen als Jungen. Sexueller Missbrauch kommt in allen Gesellschaftsschichten vor und betrifft somit die gesamte Bevölkerung (vgl. Osterheider et al., 2012).
Kinder und Jugendliche mit Behinderung sind in besonderem Maße von sexueller Gewalt betroffen. Dies belegen auch Ergebnisse aus Deutschland, nach denen jede zweite bis vierte Frau mit Behinderung sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend durch Erwachsene oder andere Kinder und Jugendliche erlebt hat. Betrachtet man ausschließlich sexuelle Gewalt durch Erwachsene, waren Frauen mit Behinderung in ihrer Kindheit etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (vgl. Schröttle, 2012).
Für den Bereich des Sports können durch das Forschungsprojekt „Safe Sport“ erstmals für Deutschland erste Daten zu sexualisierter Gewalt im Sport vorgelegt werden. Der Abschlussbericht wird Ende 2017 erwartet. Dabei konnte u. a. folgendes festgestellt werden:

  • Sexualisierte Gewalt im Bereich des organisierten Leistungs- und Wettkampfsports ist genauso präsent wie in der Allgemeinbevölkerung.
  • Die Mehrheit der betroffenen Athleten/innen war bei der ersten Erfahrung von sexualisierter Gewalt unter 18 Jahre alt.
  • Athletinnen sind signifikant häufiger betroffen als Athleten.
  • Kadersportler/innen mit Migrationshintergrund oder Behinderung sind nicht häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen als Kadersportler/innen ohne Migrationshintergrund oder Behinderung.
  • Sexualisierte Gewalt im Sport wird sowohl durch Erwachsene als auch durch Jugendliche ausgeübt.
  • Sexualisierte Gewalt tritt unter Gleichaltrigen insbesondere in Form von sexualisierter Gewalt ohne Körperkontakt auf.
  • In Vereinen mit einer klar kommunizierten „Kultur des Hinsehens und der Beteiligung“ ist das Risiko für alle Formen sexualisierter Gewalt signifikant geringer.

(vgl. Rulofs, 2016)

Wer kann Täter bzw. Täterin sein?

Die Täter/innen nutzen Macht- und Autoritätspositionen sowie die Liebe und Abhängigkeit der Betroffenen aus, um ihre eigenen (sexuellen, emotionalen, sozialen) Bedürfnisse auf Kosten der Opfer zu befriedigen und diese zu Kooperation und Geheimhaltung zu veranlassen (Bange & Deegener, 1996, S. 105).
Die Täter/innen suchen gezielt Situationen, in denen sie auf leichte und unkomplizierte Weise (körperliche) Kontakte mit Personen eingehen und aufbauen können, daher besteht die Gefahr, dass sich Täter/innen genau mit dieser Intention in Sportvereine begeben.
In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden zum sexuellen Kindesmissbrauch auch Angaben zur Täter-Opfer-Beziehung erfasst. In den Daten aus 2008 wurde festgehalten, dass es sich bei den Tatverdächtigen zu 19 % um Verwandte handelte. 30 % waren Bekannte des Kindes. In 9 % der Fälle lag der Tat eine flüchtige Vorbeziehung zugrunde. Zu 35 % kannten sich Täter und Opfer vorher nicht. In 7 % der Fälle konnten zum Täter-Opfer-Verhältnis keine Daten erhoben werden. Im Hinblick auf die angezeigten Fälle zeigt sich damit, dass das Hauptrisiko von solchen Personen ausgeht, die aus ihrem näheren sozialen Umfeld stammen. Überwiegend sind Männer die Täter, jedoch sind auch Frauen als Täterinnen oder Mittäterinnen bekannt.
Grundsätzlich kann man keinem Menschen ansehen, ob er oder sie Täter/in ist oder sein wird.

Welche Präventionsmaßnahmen können von Sportvereinen und -verbänden umgesetzt werden?

Folgende Präventions- und Schutzmaßnahmen bilden den Schwerpunkt der Arbeit des DBS und der DBSJ, sowie der Landes- und Fachverbände, damit ein effektiver Schutz von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit und ohne Behinderung ermöglicht wird bzw. Gefährdungsmomente minimiert werden:

Information

  • Aufklärung und Information der Mitgliedsorganisationen des DBS, um eine „Kultur des Hinsehens“ zu entwickeln
  • Benennung eines/r Ansprechpartners/in für das Aufgabengebiet „Prävention von und Intervention bei sexualisierter Gewalt im Behindertensport“ auf Bundes- und Landesebene
  • Sensibilisierung zur Gewaltthematik an Jungen und Männern mit Behinderung
  • Erarbeitung und Verbreitung von Handlungsrichtlinien bei Verdachtsmomenten

Qualifizierung

  • Erarbeitung von Lerninhalten für die Aus- und Fortbildung zum Thema „Sexualisierte Gewalt im (Behinderten)Sport“ gegenüber Mädchen, Jungen, Männern und Frauen
  • Etablierung der DBS-Weiterbildung „Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins von Mädchen und Frauen mit oder mit drohender Behinderung“ (SGB IX, § 44) für Übungsleiterinnen mit der B-Lizenz Rehabilitationssport

Verwaltung

  • Erarbeitung und Einführung des Ehrenkodex – für das Haupt- und Ehrenamt – zum Umgang mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderung im Sport zur Verdeutlichung der eigenen Verantwortung
  • Berücksichtigung von Missbrauchs-Tatbeständen bei der Nominierung von Mitgliedern zu nationalen und internationalen Veranstaltungen (z. B. Jugendlager, Weltcups, Paralympics) ggf. auch über die strafrechtlichen Grenzen von Verjährung, Bewährung und Verurteilung hinaus
  • Festlegung von Sanktionen für Täter/innen bei Feststellung von Tatbeständen
  • Überprüfung und Anpassung der Vereins- und Verbandssatzungen sowie der „Richtlinien für die Ausbildung im DBS“ hinsichtlich des Auftrages zum Schutz vor Gewalt
  • Der DBS identifiziert sich mit den Umsetzungsvorhaben der Handlungsempfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe und der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter zum Bundeskinderschutzgesetz, insbesondere diejenigen zum erweiterten Führungszeugnis. Die Umsetzung erfordert eine verbandsspezifische Konkretisierung der Handlungssettings.

Wie nutzen Sportorganisationen das erweiterte Führungszeugnis und wann sollte dieses eingesehen werden?

Das erweiterte Führungszeugnis ist ein Präventionsinstrument, das Sportvereine und -verbände nutzen können, um mögliche Informationslücken in Bezug auf die persönliche Eignung der in ihrem Auftrag Tätigen zu überprüfen. Mit Hilfe des erweiterten Führungszeugnisses können sie ausschließen, dass bereits rechtskräftig verurteilte Personen, deren Strafe noch nicht verjährt ist, Aufgaben im kinder- und jugendnahen Bereich im Sportverband oder -verein übernehmen. Allerdings gibt das erweiterte Führungszeugnis nur Auskunft über tatsächliche und auch entsprechend einschlägige Verurteilungen. Eingestellte Verfahren, laufende Ermittlungsverfahren, Verfahren, die mit Freisprüchen geendet haben, oder Straftaten, die wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden konnten, werden im erweiterten Führungszeugnis nicht ausgewiesen. Ebenso wenig werden Straftaten aufgeführt, die nach zehn Jahren nicht mehr archiviert werden. Daher ist es außerordentlich wichtig, dass die Nutzung des erweiterten Führungszeugnisses in ein Gesamtkonzept zur Prävention von sexualisierter Gewalt eingebettet ist.
Sportverbände und -vereine sollten sorgsam prüfen, ob und unter welchen Bedingungen sie das erweiterte Führungszeugnis als Instrument zur Prävention von sexualisierter Gewalt nutzen. Dabei ist zu beachten, dass sich mit der Veränderung des § 72a SGB VIII im Rahmen des Bundeskinderschutzgesetzes ein neuer Standard in der Kinder- und Jugendarbeit hinsichtlich der Einsichtnahme in erweiterte Führungszeugnisse etabliert hat.
Übertragen auf den organisierten Sport bedeutet das, dass das erweiterte Führungszeugnis bei hauptberuflichen Mitarbeiter/innen, die in Verantwortung des jeweiligen Verbands oder Vereins Kinder und Jugendliche beaufsichtigen, betreuen, erziehen oder ausbilden, eingesehen werden soll. Bei ehrenamtlich Tätigen soll die jeweilige Tätigkeit auf Art, Intensität und Dauer des Kontakts zu Minderjährigen geprüft und unter Berücksichtigung schutzfördernder Maßnahmen über die Einsichtnahme entschieden werden. Bei Maßnahmen, die mit Übernachtungen verbunden sind, sollten von den Betreuer/innen erweiterte Führungszeugnisse vorgelegt werden. Gibt es jedoch zusätzlich schutzfördernde Maßnahmen, können Ausnahmen vereinbart werden.
Eine rechtliche Verpflichtung zur Einsichtnahme von erweiterten Führungszeugnissen ergibt sich für Sportvereine und -verbände erst, wenn sie in den Anwendungsbereich des § 72a SGB VIII fallen und eine Vereinbarung mit dem zuständigen öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe geschlossen haben oder die Einsichtnahme in einem Zuwendungsbescheid geregelt ist.
Die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses stellt keine Garantie für die Einhaltung des Kinder- und Jugendschutzes dar und soll daher sinnvoll in ein Gesamtkonzept zur Prävention von sexualisierter Gewalt eingebettet sein.
In solch einem Konzept ist auch die besondere Gefährdungslage von Erwachsenen mit Assistenzbedarf zu berücksichtigen. Bei Betreuer/innen dieser Zielgruppe ist die Einsichtnahme in ein erweitertes Führungszeugnis trotz besonderer Gefährdungslage aufgrund der Bestimmungen in § 30a des Bundeszentralregistergesetzes nicht möglich.
Sofern sich für die Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis entschieden wird oder aufgrund der entsprechender Vereinbarungen mit Trägern der Kinder- und Jugendhilfe notwendig ist, sollten folgenden Empfehlungen beachten werden (in Anlehnung an die Empfehlungen des Bayerischen Jugendrings und des Berichts der Bundesregierung zur Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes):

  • 72a Abs. 5 SGB VIII enthält spezielle Vorgaben zum Datenschutz im Umgang mit den Führungszeugnissen von Ehren- bzw. Nebenamtlichen. Es soll sichergestellt sein, dass so wenige Daten wie möglich erhoben, genutzt und gespeichert werden. Daher ist eine Dokumentation nur in sehr beschränkter Form und für verhältnismäßig kurze Dauer zulässig. Erhoben werden darf grundsätzlich das Datum der Tätigkeitsaufnahme und der Name des Ehrenamtlichen, um den Zeitpunkt der Wiedervorlage, z. B. nach fünf Jahren, bestimmen zu können.

Aus dem Wortlaut der Regelung ergeben sich folgende Fallgruppen:

  1. Der/die Ehrenamtliche hat keine einschlägigen Einträge: Es wird lediglich die Aufnahme der Tätigkeit mit Datum zur Berechnung des Wiedervorlagezeitpunktes dokumentiert.
  2. Der/die Ehrenamtliche hat einschlägige Eintragung:
    1. Er/Sie wird sofort von der Tätigkeit ausgeschlossen: keinerlei Dokumentation
    2. Über den Ausschluss wird (z. B. aufgrund von Zuständigkeiten beim Träger) nicht sofort entschieden: Dokumentation bzgl. Name der Person, Datum des Führungszeugnisses, Rechtskräftige Verurteilung. Nach der Entscheidung über den Ausschluss sind die Daten unverzüglich zu löschen.

Nach einer Beendigung der Tätigkeit oder nach einem Ausschluss sind die Daten unverzüglich zu löschen.

Was ist der Ehrenkodex und wie kann er eingesetzt werden?

Ein Ehrenkodex ist eine Selbstverpflichtungserklärung. Dieser Baustein eines Präventionskonzeptes wird im DBS und seinen Strukturen genutzt, um alle Mitarbeiter/innen im Verein bzw. Verband zu sensibilisieren und um potentiellen Täter/innen zu vermitteln, dass dem Schutz von Kindern und Jugendlichen Beachtung geschenkt wird.
Unter der Rubrik Downloads kann der Ehrenkodex auf der DBS-Homepage eingesehen und bei Bedarf im Verein bzw. Verband verwendet werden.
Seit Einführung des Ehrenkodex im DBS im Jahr 2012, sind alle lizenzierten Personen (Übungsleiter/in im Breiten-, Präventions- und Rehabilitationssport, Trainer/in im Leistungssport, Vereinsmanager/in) verpflichtet, bei Neuausstellung einer Lizenz oder bei der nächsten Lizenzverlängerung den Ehrenkodex unterzeichnet vorzulegen. Dies ist in den „Richtlinien für die Ausbildung im Deutschen Behindertensportverband e.V.“ (Punkt 6.3.3) festgelegt.

Weitere Informationen

Auf der DBS-Homepage stehen unter der Rubrik „Sexualisierte Gewalt“ weitere Informationen sowie Hilfen und Materialien zur Verfügung.
Link: www.dbs-npc.de/sexualisierte-gewalt.html

Literatur

  • Bange, D. & Deegener, G. (1996).Sexueller Missbrauch an Kindern. Ausmaß – Hintergründe – Folgen. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
  • Bayerischer Landes-Sportverband (2013). Das erweiterte Führungszeugnis im Sportverein. Vereinsservice. Zugriff unter https://www.blsv.de/fileadmin/user_upload/pdf/bayernsport_archiv/vereinsservice/bayspo_vs_2013_40_fuehrungszeugnis_erweitert.pdf
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2012). Projekt: SELBST. Stärkung des Selbstbewusstseins für behinderte Mädchen & Frauen (§ 44 SGB IX). Abschlussbericht. Zugriff unter https://www.bmfsfj.de/blob/95286/45f05e705d771985e396307097176eea/selbst-abschlussbericht-data.pdf
  • Deutsche Sporthochschule Köln (2016)."Safe Sport" Schutz von Kindern und Jugendlichen im organisierten Sport in Deutschland: Erste Ergebnisse des Forschungsprojektes zur Analyse von Häufigkeiten, Formen, Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei sexualisierter Gewalt. Zugriff unter https://www.dsj.de/fileadmin/user_upload/Handlungsfelder/Praevention_Intervention/sexualisierte_Gewalt/SafeSport-Ergebnisbericht_23.11.2016-Final.pdf
  • Deutsche Sportjugend im DOSB e.V. (2015). Gegen sexualisierte Gewalt im Sport! Kommunikationsbausteine. Zugriff unter http://www.dosb.de/index.php?id=14138
  • Landessportbund Nordrhein-Westfalen e.V. (2013). Schweigen schützt die Falschen! Handlungsleitfaden für Vereine. vorsorgen – erkennen – handeln. Brüggen: schmitzdruck&medien GmbH & Co.KG. Zugriff unter http://www.vibss.de/fileadmin/Vereinsservice/Sport_und_sexualisierte_Gewalt/Handlungsleitfaden_fuer_Vereine.pdf
  • Osterheider, M., Banse, R., Briken, P., Goldbeck, L., Hoyer, J., Santtila, P. & Eisenbarth, H. (2011). Frequency, etiological models and consequences of child and adolescent sexual abuse: Aims and goals of the German multi-site MIKADO project. Sex Offender Treatment, 6(2), 1-7.
  • Osterheider, M., Banse, R., Briken, P., Goldbeck, L., Hoyer, J., Santtila, P. & Eisenbarth, H. (2012). Häufigkeit, Erklärungsmodelle und Folgen sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen: Zielsetzungen des deutschlandweiten MIKADO-Projekts. Zeitschrift für Sexualforschung, 25(03), 286-292.
  • Rulofs, B. (Hrsg.) (2016). »Safe Sport« Schutz von Kindern und Jugendlichen im organsierten Sport in Deutschland: Erste Ergebnisse des Forschungsprojektes zur Analyse von Häufigkeiten, Formen, Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei sexualisierter Gewalt. Deutsche Sporthochschule Köln.
  • Schröttle, M., Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften und Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) (Hrsg.) (2012): „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“. Eine repräsentative Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Kurzfassung. Berlin
  • Wetzels, P. (1999). Verbreitung und familiäre Hintergründe sexuellen Kindes Missbrauchs in Deutschland. In S. Hoefling, D. Drewes & I. Epple-Waigel (Hrsg.),Auftrag Prävention – Offensive gegen sexuellen Kindesmissbrauchs (S.104-134). München: Atwerp-Verlag.