Aktuelles aus dem Behindertensport

Geduld, Fingerspitzengefühl und klare Ansprache

Janina Breuer
Janina Breuer © Dörte Paschke

„Viele Dinge muss man einfach üben, üben, üben“, erklärt Maik Zeh, „irgendwann sitzt das schon, was man erreichen möchte“. Zeh ist Trainer beim Berliner Schwimmteam und hat dort unter anderem Janina Breuer in seiner Trainingsgruppe. Die 17-Jährige startet in der Klasse S14, und damit in der Klasse für Schwimmerinnen und Schwimmer mit geistiger Behinderung. Als geistig behindert gelten diejenigen mit einem IQ-Wert von 75 oder geringer und die Einschränkungen des sozial-adaptiven Verhaltens aufweisen, wobei die Behinderung vor dem 18. Lebensjahr eingetreten sein muss.

Maik Zeh kann gut damit umgehen. „Wichtig ist, dass man ruhig bleibt und viel Geduld sowie Verständnis aufbringt. Manches muss man eben zwei- oder dreimal erklären. Es ist ja nicht so, dass die Athleten es absichtlich nicht verstehen“, weiß der Coach. Janina Breuer jedenfalls sei bestens in die Trainingsgruppe in Berlin integriert – und hat sich zuletzt sogar so gut entwickelt, dass sie sich auch Hoffnungen auf eine Teilnahme an den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro machen darf. Der Traum von Rio war auch der Grund, weswegen sie ihre Heimat Karlsruhe (Durlacher SV / SGRK), wo sie bereits unter guten Bedingungen trainiert hatte, Richtung Berlin verlassen hat. 

2014 gehörte Janina Breuer bereits dem deutschen Team bei den Europameisterschaften an, musste nach einigen „Seuchenmonaten“ allerdings auf die WM in diesem Jahr verzichten. Ob es für Rio tatsächlich reichen könnte, ist noch offen. Sie besucht eine Eliteschule des Sports, wird dort schulisch speziell gefördert und trainiert unter Top-Bedingungen – eine gute Struktur, um sich optimal zu verbessern. Allerdings: „Die Startklasse S14 entwickelt sich extrem schnell“, sagt Zeh.

Startklasse für Menschen mit geistiger Behinderung seit London wieder paralympisch

Die Startklasse für Menschen mit geistiger Behinderung gehört erst seit London 2012 wieder zum paralympischen Programm. Für das deutsche Team war damals André Lehmann mit im Aufgebot. „Er hat sich danach etwas zurückgezogen. Vielleicht ist ihm der ganze Rummel etwas zu viel geworden“, vermutet Birgit Marquardt, die seit 2010 als Sonderpädagogin zum erweiterten Kreis der Nationalmannschaft zählt. Solche Entscheidungen und auch Rückschläge gehörten dazu, wenn man mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung zusammen arbeite, weiß Marquardt, die auf nationaler Ebene Klassifiziererin für diese Startklasse ist und an der Sportschule in Potsdam als Sonderpädagogin tätig ist.

Aus ihren langjährigen Erfahrungen weiß sie: Je nach Ausprägung der geistigen Behinderung übernimmt der Trainer eine ganz spezielle Rolle und ist manchmal auch rund um die Uhr im Einsatz. „Ohne eine besondere Betreuung geht es in der Regel nicht. Denn wenn die Athleten nicht wissen, was genau sie machen sollen, dann können sie sportlich auch nicht viel erreichen“, sagt Marquardt. Das erfordere Geduld und viel Fingerspitzengefühl. „Klare Ansprache mit Signalwörtern, immer wieder die gleichen Ansagen, Inhalte in kleinen Schritten und ohne Überforderung vermitteln sowie eine gewisse Ritualisierung in den Abläufen – das gibt den Sportlern die Sicherheit, die sie brauchen.“

Auch ganz einfache Tätigkeiten müssen geübt werden

Doch auch abgesehen vom Sport ist eine intensive Begleitung erforderlich. „Man muss auch die Abläufe bei Wettkämpfen einüben“, sagt Marquardt. „Auch ganz einfache Tätigkeiten, beispielsweise, wie komme ich in ungewohnter Umgebung von A nach B, wann nehme ich Essen und Trinken zu mir, wann gehe ich zum Einschwimmen, wo lege ich meine Sachen ab.“ Und dabei stets aufpassen, dass die Athleten die Konzentration auf den Wettkampf nicht verlieren.

So ist der Aufwand, der geleistet werden muss, nicht unerheblich, doch vor allem lohnenswert – trotz Rückschlägen. „Ich finde es auch gut und wichtig, wenn Sportler mit geistiger Behinderung gemeinsam mit anderen trainieren und voneinander profitieren“, sagt Birgit Marquardt. Und Maik Zeh vom Berliner Schwimmteam findet: „Wenn man sich an manches gewöhnt hat, ist die Zusammenarbeit eigentlich recht entspannt.“ Und vielleicht hat er ja mit Janina Breuer sogar eine Athletin bei den Paralympics in Rio dabei.