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Wenn Rollstuhlfahrer Rugby spielen

In der Koblenzer Conlog-Arena finden Ende Juni die Europameisterschaften statt

Der deutsche Nationalspieler Maik Baumann (Nr. 15) schont weder sich, noch sein Sportgerät
Der deutsche Nationalspieler Maik Baumann (Nr. 15) © Oliver Kremer 2017 (sports.pixolli.com)

Rollstuhlrugby – das klingt spektakulär. Und das ist es auch. Wenn die Athleten mit ihren  speziellen Sportgeräten gegeneinander antreten, dann geht es ganz schön zur Sache. Wenngleich nicht so sehr, wie es der ursprüngliche Name des Spiels suggeriert: „Murderball“ (Mörderball) nannten die Kanadier die neue Sportart zunächst, als sie diese Ende der 1970er-Jahre erfanden. In Koblenz können sich Besucher der Conlog-Arena vom 27. Juni bis 1. Juli selbst ein Bild davon machen, wie es beim Rollstuhlrugby zugeht. Dann finden in der Stadt an Rhein und Mosel die Europameisterschaften statt.

Es sind in der Tat harte Jungs, die man dort bewundern kann – allerdings andererseits auch Männer, die mit starken körperlichen Beeinträchtigungen zu leben haben. Alle Athleten sind an mindestens drei Gliedmaßen eingeschränkt. Sie sind sogenannte Tetraplegiker. Beim Rollstuhlbasketball wären sie benachteiligt, da man dabei gezielt werfen, fangen, gut und schnell fahren können muss. Deshalb wurde die Sportart Rollstuhlrugby entwickelt. Zugelassen sind hierfür Spieler mit Einschränkungen an mindestens drei Extremitäten (z.B. auch durch fehlende Gliedmaßen, Zerebralparese und Muskeldystrophie Betroffene). Körperkontakt ist nicht erlaubt, jedoch nahezu jeglicher Einsatz mit dem speziellen Rugbyrollstuhl.

Heute wird Rollstuhlrugby, wie es seit Ende der 1980er-Jahre genannt wird, in mehr als 30  Ländern in der ganzen Welt gespielt. Seit 2000 ist es eine paralympische Sportart. International sind die USA, Kanada, Australien und Japan die dominierenden Nationen, doch auch in Europa ist der Sport mittlerweile etabliert. Es gibt drei Ligen in Deutschland, wobei die Basisliga in drei regionale Ligen (Süd, Nord und Ost) unterteilt ist. In Europa sind das britische Team und die Schweden führend, aber auch Deutschland hat schon einige Erfolge vorzuweisen: 1999, 2005 und 2007 gab es bei den Europameisterschaften Silber, 1997 und 2003 Bronze.

Cheftrainer der deutschen Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft ist seit Oktober 2014 Christoph Werner aus Breitscheid. Er fiebert der Europapameisterschaft schon intensiv entgegen:

„Die EM im eigenen Land ist eine tolle Gelegenheit, um für unseren Sport Werbung zu machen.  Allerdings ist es auch eine große Herausforderung, da der Druck schon groß ist. Der Deutsche Behindertensport-Verband (DBS), die Zuschauer und vor allem auch wir selbst erwarten das Erreichen eines Medaillenplatzes. Wir sind die Nummer 5 in Europa, deshalb sind solche Anprüche bei einer Heim-EM auch berechtigt. Wenn die Nerven mitspielen und wir als Team funktionieren – wovon ich ausgehe – sollte auf jeden Fall das Halbfinale drin sein.“

Christoph Werner spricht aber auch an, dass Rollstuhlrugby für die Athleten eine weit über den reinen sportlichen Erfolg hinausgehende Bedeutung hat: 

„Rollstuhlrugby ist eigentlich viel mehr als nur Sport… Es fängt mit Rehasport an, man merkt, wie man fitter wird und das tägliche Leben einfacher. Wenn man einen Durchhänger hat, geht man zum Training und durch den Vollkontakt bei den Rollstühlen kann man Frust, Wut, Aggression abbauen – alles entladen. Man lernt viele neue Menschen kennen, viele mit einer sehr positiven Einstellung zum Leben, trotz der oft starken körperlichen Beeinträchtigung. Und wenn man dann noch Lust auf Leistungssport hat, dann kann man die ganze Welt kennen lernen und das gibt einem viel Selbstvertrauen für das ganze Leben.“

Am Montag. 20. März, findet die Gruppenauslosung zur EM in Koblenz statt. Danach wissen Cheftrainer Werner und sein Team, gegen wen es in der Vorrunde ab 27. Juni geht. Wie es dann bei den Spielen läuft, ist noch nicht klar – aber eins steht schon fest: Die Heim-Europameisterschaft wird für alle ein einmaliges Erlebnis.

Quelle: Bernd Paetz